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Club Kalaschnikow

Club Kalaschnikow

Titel: Club Kalaschnikow
Autoren: Polina Daschkowa
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den, der hinter ihr stand, mit der Tüte am Kopf zu treffen.
    Aber der Schmerz wurde immer heftiger. Sie bekam keine Luft mehr. Woher der Schlag kam, begriff sie schon nicht mehr, merkte auch nicht, daß die Tür sperrangelweit aufstand, hörte die lauten Stimmen nicht: »He, was ist da los? Wer schreit da so?«
    Die scharlachroten Funken vor ihren Augen verschwammen zu einer riesigen, pulsierenden, feurigen Masse. Dann wurde es dunkel.
     
    »Schnell, einen Arzt! Lieber Gott! Was hat sie denn?«
    »Mascha, beruhige dich! Sie atmet ja noch, sieh doch, wie sie atmet!«
    »Jekaterina Filippowna! Machen Sie doch die Augen auf, bitte!«
    Katja schnappte mit weitgeöffnetem Mund gierig nach Luft. Langsam, sehr vorsichtig, öffnete sie die Augen.
    Zwei verschwommene weiße Flecken. Lebendige Stimmen, eine männliche und eine weibliche. Lebendige Gesichter. Mascha und ihr Freund, ein Junge mit runder, funkelnder Brille.
    »Na, Gott sei Dank! Was ist Ihnen denn passiert? Sollen wir einen Arzt rufen?«
    »Nicht nötig«, flüsterte Katja mit trockenen, rissigen Lippen.
    Mit Erstaunen entdeckte sie, daß sie nicht lag, sondern halb saß, den Kopf an die weiche Polsterung ihrer geöffneten Wohnungstür gelehnt. Wahrscheinlich war sie nicht gefallen, sondern heruntergerutscht und deswegen nicht mit dem Kopf aufgeschlagen. Die beiden halfen ihr aufzustehen. Vor ihren Augen verschwamm alles. Der Hals schmerzte heftig. Sie lehnte sich an die kalte geflieste Wand neben der Tür und schnappte weiter nach Luft.
    »Mascha, haben Sie jemanden gesehen?« fragte sie, als sie wieder etwas zu Atem gekommen war, und schluckte krampfhaft.
    »Ja, es ist jemand vorbeigerannt, ich hab nur lange, rote Haare bemerkt. Aber wir sind sofort zu Ihnen gestürzt.«
    »Ich bin angehender Arzt«, sagte der Junge, »ich dachte, es sei vernünftiger, zuerst Ihnen zu helfen. Sollen wir nicht doch den Notarzt oder die Miliz rufen?«
    »Wenn Sie Arzt sind, sehen Sie doch mal nach, was mit meinem Hals ist«, bat Katja.
    Der Junge zog vorsichtig den Rollkragen des Pullovers zurück.
    »Nichts. Eine leichte Rötung. Hat man etwa versucht, Sie zu erwürgen?« Die Augen hinter den Brillengläsern wurden ganz groß und rund.
    »Wahrscheinlich ja. Man hat mir eine Schlinge um den Hals geworfen.«
    »Wissen Sie, was Sie gerettet hat? Der Rollkragen. Wenn die Schlinge sich in den bloßen Hals gepreßt hätte – das haben wir in Gerichtsmedizin durchgenommen …«
    »Ihr habt mir das Leben gerettet, Kinder. Ich danke euch«, sagte Katja. »Wißt ihr was, bringt mich doch bitte nach unten, zum Auto.«
    An der frischen Luft wurde ihr erheblich besser.
    »Danke, Mascha, danke. Wie heißen Sie?« wandte sie sich an den Jungen.
    »Mitja. Aber Sie sollten besser noch nicht Auto fahren. Nach einem solchen Schock müssen Sie sich hinlegen.«
    »Um diese Zeit ist in Moskau kaum Verkehr, es ist leer und ruhig. Ich komme schon an.«
    Sie lächelte, startete den Motor und winkte ihnen zum Abschied zu.
    Die beiden starrten dem weißen Ford lange verwundert nach.
    ***
    Pawel blieb stocksteif in der Tür stehen, starrte ihr ins Gesicht und fragte erschrocken: »Was ist mit dir?«
    »Ich bin gerade fast ermordet worden«, sagte Katja mit nervösem Lachen.
    Er legte ihr den Arm um die Schultern, führte sie ins Wohnzimmer und setzte sie in den großen Sessel.
    »Du bist bleich wie der Tod, und deine Augen – kannst du erzählen, was passiert ist?«
    »Machst du mir einen heißen Tee?« Katja streifte ihre Pumps ab, zog die Beine hoch und kauerte sich im Sessel zusammen.
    Sie zitterte vor Kälte. Er ging ins andere Zimmer, kam einen Augenblick später zurück, hüllte sie in eine Decke und küßte sie leicht auf den Mundwinkel.
    »Hast du die Tür abgeschlossen? Sie ist weggelaufen … Eine Pistole hatte sie nicht, es war eine Schlinge.« Katja schluckte. »Sie hat mich direkt in der Wohnung überfallen, in der Diele … Aber im Treppenhaus waren zufällig Leute. Die haben sie verscheucht. Kann ich Tee haben?«
    »Ich brühe dir sofort welchen auf. Du zitterst ja.« Er streichelte ihr übers Haar. »Soll ich uns Musik auflegen?«
    »Ja«, sagte sie, »die ›Ink Spots‹. Diese eine Kassette, weißt du noch?«
    Fünf Minuten später brachte er zwei Tassen Tee, eine kleine flache Flasche mit armenischem Kognak, Schnapsgläser und einen kleingeschnittenen Apfel.
    »Ich habe schon wieder nichts zu essen im Haus.« Er lächelte schuldbewußt. »Diesmal sind nicht einmal Würstchen
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