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Clementines verrückte Woche

Clementines verrückte Woche

Titel: Clementines verrückte Woche
Autoren: Sara Pennypacker
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gut zielen – wie jemand, der viel größer war –, als er sein Geld in den Briefumschlag warf.
    Aber das war alles, was mir einfiel. Das einzige weitere Kompliment konnte ich bei der Frau an der Essensausgabe anbringen, die das Geld annahm. Ich sagte ihr, dass ihr Haarnetz ihre Frisur von hinten aussehen ließ wie ein Hornissennest. Sie lachte und sagte, »Danke, mein Mädchen, jetzt ist mein Tag gerettet.«
     

     
    Was nett war, aber keine große Hilfe, weil die Frau von der Essensausgabe ja nichts in mein Buch schreiben darf.
    In der Klasse setzten wir uns dann in den Morgenkreis und besprachen alles Mögliche, wie immer. Ich dachte mir die ganze Zeit Nettigkeiten aus, die ich den anderen sagen könnte. Aber dann brachte mein Lehrer mich völlig aus dem Konzept.
    »Und vergesst ja nicht die Radtour am Samstag, auf der wir Geld für die Klassenfahrten der dritten und vierten Klasse sammeln wollen«, sagte er. »Ich hoffe, ihr habt alle schon angefangen, eure Räder zu schmücken. Wir sehen uns um zehn im Boston Park.«
    Ich spürte, wie mein Gesicht von innen zu einem riesigen geheimen Lächeln schmolz, und vergaß vollkommen, mir noch weitere Komplimente auszudenken.
    Mein Fahrrad würde am Samstag einfach umwerfend aussehen. Es würde das bestgeschmückte Rad der ganzen Weltgeschichte werden. Und zwar, weil der beste Dekorationsladen der Welt unten in unserem Keller ist.
    Na ja, nicht ganz. Aber mein Dad ist der Hausmeister unseres Wohnblocks, und er muss an Feiertagen immer die Eingangshalle schmücken. Er macht das natürlich an den normalen Feiertagen wie Halloween und Thanksgiving und Valentinstag. Öde, öde, öde. Aber mein Dad hat nachgeforscht und festgestellt, dass wirklich jeder Tag eine Art Feiertag ist. Zum Beispiel im Januar. Alle kennen Neujahr und den Dreikönigstag. Aber mein Dad schmückt die Eingangshalle auch am Tortenwurf-Tag , am Tag der Stechuhr und am Tag der richtigen Schuhgröße .
    Jede Woche schreibt er die Feiertage ans Schwarze Brett in der Eingangshalle und macht Vorschläge zum Feiern. Der 30. April ist zum Beispiel der Tag der besonderen Frisur . Und im Fahrstuhl hört ihr dann vielleicht: »Mrs Jacobi, was haben Sie für einen eleganten Knoten!« Oder Margrets Mutter macht meiner Mutter ein Kompliment, weil sie einen so kompliziert geflochtenen Zopf hat – aber nur, wenn das alles stimmt, denn der 30. April ist auch der Nationale Ehrlichkeitstag .
    »Wenn ich für das Foyer des UN-Gebäudes zuständig wäre, würde es nie wieder einen Krieg geben«, sagt mein Dad. Ich glaube, er hat Recht – sein Feiertagsschmuck macht einfach alle glücklich.
    Vor allem mich. Denn dieser ganze Eingangshallenschmuck liegt in unserem Keller, wenn er gerade nicht gebraucht wird. Und als ich meinen Dad gefragt hatte, ob ich für die Radtour am Samstag was ausleihen könnte, hatte er gesagt: »Klar doch, Kumpel, nimm alles, wenn du willst.«
    Ich wusste noch immer nicht genau, wie ich mein Rad schmücken sollte, aber das lag nur daran, dass ich so viele gute Ideen hatte. Ich merkte, wie mein Lächeln noch breiter wurde. Nur gut, dass ich weiß, wie ich verhindern kann, dass man es mir ansieht.
     

     
    »Meine Güte, Clementine«, riss die Stimme meines Lehrers mich aus meinen Gedanken. »Du siehst aus, als ob du uns unbedingt deine Lebensgeschichte erzählen willst.«
    »Entschuldigung?«, fragte ich. »Was?«
    »Jetzt ist Zeit für deinen Auftritt. Das war ja vielleicht ein Lächeln. Es freut mich, dass dich das so glücklich macht. Also komm her.«
    Ich durchsuchte meinen Ranzen, falls ich vergessen hatte, dass ich am vergangenen Abend daran gedacht hatte, Notizen zu machen, aber nix.
    »Ist schon gut«, sagte mein Lehrer. »Komm her und erzähl uns aus deinem Leben.«
    Also trat ich vor die Klasse. »Ich wurde geboren«, fing ich an. Und dann kam nichts mehr, weil es so schwer ist zu denken, wenn man vor einer Klasse steht und alle einen anstarren.
    »Du wurdest geboren«, wiederholte Mr D’Matz. »Wo?«
    »Hier«, antwortete ich. Dann lachten alle los – aber weil es ein nettes Lachen war, kein fieses, lachte ich auch. »Nein, ich wurde nicht im Raum der 3 B geboren«, sagte ich. »Sondern in Boston.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich auch hier gelebt. In Boston, nicht im Raum der 3 B. Ende. Ich meine, nicht ganz das Ende, noch nicht. Aber das ist alles.« Ich machte eine Verbeugung und wollte zurück zu meinem Tisch.
    Die anderen applaudierten, aber mein Lehrer hielt mich auf. »Oh, ich
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