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Clementine schreibt einen Brief

Clementine schreibt einen Brief

Titel: Clementine schreibt einen Brief
Autoren: Sara Pennypacker
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ihm zusammen. Er arbeitet nicht, wenn er herkommt, und es ist jedes Mal wie Ferien. Mein Dad arbeitet immer.«
    »Ja, kann schon sein«, sagte Margret.
    »Und ihr könnt bei ihm im Hotel wohnen und den Zimmerservice bestellen und die Becher im Badezimmer auspacken. Und auf der Toilette klebt ein kleiner Streifen mit der Aufschrift Zu Ihrem Schutz desinfiziert . Das findest du doch super!«
    Margret nickte und wirkte ein bisschen fröhlicher.
    »Und manchmal könnt ihr nach Hollywood in Kalifornien fahren und zusehen, wie sie Werbefilme drehen. Ich finde, da habt ihr ganz schön Glück. Und vielleicht lässt euer Dad euch eines Tages in einem mitspielen.« Wir saßen eine Minute lang da, atmeten die Busluft ein und überlegten, wer hier das Glück hatte.
    »Ich glaube, wir beide«, sagte Margret endlich. »Es sind nur unterschiedliche Arten von Glück.«
    Nur hatte ich nicht mehr so viel Glück, als wir in der Schule angekommen waren.
    In der Mathestunde schrieb Frau Nagel eine schwierige Aufgabe an die Tafel und fragte, ob irgendwer die Lösung wüsste. Ich meldete mich und sagte sie ihr.
    Wenn mein echter Lehrer da gewesen wäre, hätte er sich an die Nase getippt und dann lächelnd auf mich gezeigt. Das bedeutete: »Du hast den Nagel auf die Nase getroffen. Gut gedacht!«
    Frau Nagel aber sagte: »Das ist korrekt, Clementine. Aber ich habe nicht nach der Lösung gefragt. Ich habe gefragt, ob sie irgendwer weiß.«
    Was vermutlich dasselbe war, wie zu sagen: »Du wirst in der Schule nie richtig Erfolg haben.«
    Dann wischte sie die Tafel ab und schrubbte dabei so energisch, dass das Grün fast mit abging.
    Im Englischunterricht mussten wir unsere Tagebucheintragungen laut vorlesen.
    »Aber unser Lehrer lässt uns die nie laut vorlesen«, sagte ich ihr.
    »Nur ist Herr D’Matz nicht hier«, sagte sie zu meiner Erinnerung. Was ich nicht vergessen hatte. »Deshalb machen wir das jetzt anders.« Also musste ich meinen Tagebucheintrag vorlesen, der davon handelte, warum ich Ziegel so sehr mag, und jetzt war das kein Geheimnis mehr.
    Frau Nagel war noch dreimal gemein zu mir. Das einzig Gute war, dass ich endlich dahinterkam, warum ich so viel Ärger hatte. Ich meldete mich und sagte ihr, ich müsste zur Rektorin.
    Sie sagte, okay, was vermutlich bedeutete: »Gut, dann kann ich mit den erfolgreichen Schülern ein bisschen arbeiten.« Was mich noch wütender machte. Ich trampelte so wütend über den Flur, dass ich bestimmt den Schulkeller zum Einstürzen brachte, und es war mir ganz egal.
     

     
    Frau Rice warf einen Blick auf mein Gesicht, als ich hereinkam, und sagte: »Erzählst du mir, was dir heute solche Probleme macht?«
    »Noch nicht«, sagte ich. »Mögen Sie Tattoos?«
    »Nicht sehr. Und du?«
    »Ich schon«, sagte ich. Ich holte tief Atem. »Okay, jetzt sage ich es Ihnen. Ich kann Frau Nagels Regeln nie erraten. Sie hat ganz andere als mein Lehrer und sie sagt sie erst, wenn es zu spät ist und ich schon Ärger habe. Das ist nicht fair. Und deswegen wollte ich fragen, ob Sie meinen Lehrer ein bisschen früher zurückholen können. Heute zum Beispiel. Können Sie ihn nicht anrufen und ihm sagen, dass er diesen ganzen Sich-auf-Ägypten-vorbereiten-Kram für den Rest der Woche sausenlassen soll? Er will sowieso viel lieber hierbleiben.«
    »Tut mir leid, Clementine, das kann ich nicht. Ich habe übrigens eben mit ihm gesprochen und er fühlt sich sehr wohl beim Komitee.«
    Ich verschränkte die Arme vor der Brust und merkte, wie mein Gesicht immer wütender wurde.
     

     
    »Clementine, hältst du es für möglich, dass Frau Nagel sich genauso fühlt wie du? Dass sie die Regeln nicht erraten kann? Es ist hart, Vertretungslehrerin zu sein und die Regeln einer neuen Schule zu lernen. Meinst du, du könntest ihr vielleicht helfen und ihr erklären, was in deiner Klasse so üblich ist?«
    »Nein«, knurrte ich. »Kann ich nicht.«
    Frau Rice sah mich nur an und am Ende hypnotisierte sie meinen Mund, bis er sagte: »Na gut, meinetwegen, vielleicht sollte das irgendwer machen.«
    Ich starrte sie an, als ich »irgendwer« sagte, aber sie starrte nur noch mehr zurück.
    Ich schüttelte den Kopf. »Vielleicht jemand aus der sechsten Klasse. Aber nicht ich.«
    Frau Rice ließ sich in ihrem Sessel zurücksinken. »Tja, das ist wirklich Pech. Ich glaube, du würdest es sehr gut machen.« Sie stand auf. »Lass uns zurück in deine Klasse gehen. Ich soll euch von Herrn D’Matz ausrichten, wie sehr er sich über eure
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