Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Clementine schreibt einen Brief

Clementine schreibt einen Brief

Titel: Clementine schreibt einen Brief
Autoren: Sara Pennypacker
Vom Netzwerk:
wir warteten alle, bis er seine Füße begrüßt und sie uns dann gezeigt hatte, als ob wir sie in unserem ganzen Leben noch nie gesehen hätten. Dann hob meine Mom ihn auf ihren Schoß und gab ihm einige von den leeren Keksdosen. »Auch für dich ist heute ein Glückstag«, sagte sie zu ihm. »Du kriegst auch was geschenkt!« Mein Bruder grinste und schlug die Keksdosen gegeneinander. Dann schaute meine Mom zu mir herüber. »Oh, oder hättest du auch gern welche, Clementine?«
    Und sofort, ohne auch nur darüber nachzudenken, sagte ich: »Nein, er kann alle haben. Ich hab nichts dagegen.« Und das stimmte sogar! Mein Dad zwinkerte mir zu und sein Gesicht sah dabei so nett aus, dass ich es eines Tages ganz bestimmt auch zeichnen werde.
    Dann bestellten wir zwei große Pizzas und holten Margret und Mitchell im fünften Stock ab und gingen alle nach oben aufs Dach. Wir spielten aber nicht Spiel des Lebens , weil wir da oben so viele andere Dinge zu tun hatten.
     

     
    Die Sonne ging unter und ich zählte alle Farben auf, die ich in den Wolken über Boston entdecken konnte. Ich kam auf dreiunddreißig.
    Dann zeigte Mitchell in die Richtung, in der das Stadion Fenway Park liegt. Er erzählte uns von jedem Ball, der in dieser Saison aus dem Spielfeld geschlagen worden war – von wem, wie weit und wer gewonnen hatte.
    Dann richteten wir die Lampe auf Margret und sie spielte alle Werbefilme ihres Vaters vor. Mein Dad applaudierte wie besessen und rief nach jedem »Dieses Produkt werde ich sofort kaufen!« Margret strahlte ihn an und ihre Zahnspangen funkelten im Lampenlicht.
    Sogar Spinat machte etwas. Er kreischte, wann immer Mitchell ihm zuzwinkerte.
    Als wir unseren Kram zusammenpackten, um wieder ins Haus zu gehen, fragte Mitchell nach meinem Lehrer. »Na? Ist er schon zelten?«
    »Er geht gar nicht. Er wird sein Versprechen nicht brechen. Eigentlich will er ja auch gar nicht weg.«
    »Na, gut, dass er seine Meinung geändert hat.«
    »Er hat nicht direkt seine Meinung geändert.« Ich erzählte von dem Brief an die Jury.
    Mitchell blieb stehen und starrte mich an. »Du hast all diese schrecklichen Sachen geschrieben, die ich dir über Beans McCloud erzählt habe? Aber was, wenn dein Lehrer das liest?«
    »Wird er nicht. Es ist ja ein Brief an die Jury.«
    »Bist du sicher?«
    »Natürlich. Ganz sicher.« Aber ganz plötzlich – na gut, meinetwegen – war ich gar nicht mehr so sicher.
    In unserer Wohnung steckten meine Eltern sofort meinen Bruder ins Bett. Ich ging in ihr Zimmer und schlug das Buch meines Dads auf. Ich fand die Seite, auf der er geschrieben hatte, wie stolz der Hausmeister gewesen war, weil seine Tochter versprochen hatte, von jetzt an immer an die Folgen zu denken. Und ich schrieb:
     

     

11. KAPITEL
    Am Freitagmorgen war ich ein bisschen aufgeregt, als ich aufwachte. Es war schließlich der letzte Tag, an dem ich mich mit Frau Nagel herumquälen musste. Ich machte mir aber auch ein bisschen Sorgen, dass etwas Schreckliches passieren könnte, nur wusste ich nicht, was.
    Das erfuhr ich dann in der Schule.
    »Nach der Mittagspause gehen wir in die Stadthalle«, erklärte Frau Nagel. Sie hielt einen Zettel hoch. »Hier steht, dass die Feier um ein Uhr damit anfängt, dass die Briefe verlesen werden.«
    »Was bedeutet das, dass die Briefe verlesen werden?«, fragte ich. »Werden sie laut vorgelesen?«
    »Ich weiß nicht«, antwortete Frau Nagel. » Verlesen der Briefe. Bekanntgabe des Siegers. Rede . Mehr steht hier nicht.«
    Woraufhin ich einen Herzanfall bekam. Den ganzen Morgen war meine Brust so fest zusammengequetscht, dass ich wie erstarrt auf meinem Platz saß. Ich war so still, dass ich mir nicht ein einziges »Clementine-pass-auf!« anhören musste, was ein neuer Rekord für mich war. Das ist das Gute an Herzanfällen, nehme ich an.
    Und dann war Zeit zum Aufbruch. Während alle anderen ihre Jacken und Rucksäcke holten, stand ich nur in der Ecke.
    »Ist alles in Ordnung, Clementine?«, fragte Frau Nagel.
    »Ich habe einen Herzanfall«, antwortete ich. »Ich glaube, ich gehe besser nach Hause.«
    Sie starrte mich für einen Moment aus zusammengekniffenen Augen an. »Da habe ich meine Zweifel. Wahrscheinlich bist du nur aufgeregt, weil wir in die Stadthalle gehen.«
    Also musste ich mit Frau Nagel losgehen, und sie setzte sich im Bus neben mich.
    »Ich bin froh, dass wir mal in Ruhe miteinander reden können«, sagte sie, als der Bus anfuhr. »Ich glaube, du und ich hatten keine so richtig
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher