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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao
Autoren: Hen Hermanns
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München durchgehen.«
    Ich gab ihm die Manuskripte. Lütgenau zog eine dieser widerlichen Lesebrillen im Joachim-Fuchsberger-Design auf und überflog desinteressiert und fahrig meine Hymnen auf seinen High-Fashion-Ramsch.
    »Super«, sagte er dann mit gelangweiltem Blick. »Machen wir genau so, wie es da steht.«
    Die Tür schwang auf, und Eckert kam rein. Die Dielen knirschten unter seinem Gewicht. Er warf seine schwere Lederjacke auf einen Stuhl, machte die Tür noch einmal auf und rief nach Kaffee. Erst dann schien er uns überhaupt wahrzunehmen. War heute Welt-Geistesabwesenheits-Tag, oder was? »Tach«, sagte Eckert. »Seid ihr schon durch? Hat der Reinartz was Vernünftiges geschrieben?«
    »Finde ich o.k. so«, sagte Lütgenau.
    »Dann lassen Sie uns doch jetzt über das andere Thema sprechen«, sagte Eckert und machte ein leicht angewidertes Gesicht.
    »Danke, Reinartz, Sie können gehen.«
    Danke, Eckert, sehr gerne. Sigi saß noch immer über dem Jeans-Folder.
    »Ich kann diese Below-the-line-Scheiße nicht mehr aushalten«, stöhnte er. »Und diese ewigen Termine. Weißt du, daß die Raumsonde Voyager 2 erst in 296000 Jahren Sirius erreichen wird? Aber dieser scheiß Folder muß natürlich schon morgen fertig sein.«
    Ich beruhigte Sigi, so gut es ging, indem ich ihn alles über Voyager 2 erzählen ließ. Über die genaue Route durch die Oortsche Wolke und das Sternbild Giraffe und vor allem über das Reisegepäck: die berühmte Ton- und Bildplatte, die eventuell auftauchenden intelligenten Lebewesen einen Einblick in unsere Kultur geben soll. Mit der Musik von Beethoven und Chuck Berry können die Jungs da oben sicher was anfangen. Mit den Geräuschen von Lkws, Fröschen und Küssen vielleicht auch noch. Aber wenn sie Jimmy Carter und Kurt Waldheim sehen, verziehen sie sich bestimmt schreiend in den letzten Zipfel des Universums.
    Um 22.00 Uhr wußte ich jedenfalls alles über Voyager 2, über Superstring-Theorien, Unschärferelationen, Elementarteilchen und Schwarze Löcher. Sigi hatte Stephen Hawking gelesen. Und das eine Buch, das Sigi pro Jahr liest, das liest er richtig. Aber dafür war jetzt endlich der verdammte Folder fertig. Wir nahmen ein Taxi zum Bahnhof und erwischten noch den 22.30 Uhr-Intercity nach Köln. Sigi hatte noch genau 24 Minuten Zeit, mir die Friedmannschen Modelle des expandierenden Universums zu erklären. Er nutzte jede Sekunde. Kurz bevor mein Gehirn einem Urknall zum Opfer fiel, fuhr der Zug endlich im Hauptbahnhof ein. Um 22.54 Uhr verabschiedete ich mich von Sigi. Um 23.04 Uhr klingelte ich an Alwines Tür. Um 23.06 lag ich in Alwines Bett.

6.

    Unser Wiedersehen war stürmisch genug, um alle Eifersuchtsgefühle vom Vormittag wegzufegen. Dann saßen wir bei einem Glas Wein in der Küche, und ich erzählte Alwine die Geschichte von der offenstehenden Wohnungstür.
    »Du kannst ja ne Weile bei mir wohnen«, sagte Alwine.
    »Ich will dich da nicht reinziehen. Ich weiß schließlich nicht, was da gespielt wird. Wenn überhaupt was gespielt wird. Vielleicht war ja alles nur Zufall. Aber solange ich nichts weiß, muß ich in meiner Wohnung bleiben.«
    »Und darauf warten, daß der Killer kommt und dich abknallt?«
    »Wenn er mich abknallen will, dann kann der das überall. Auch hier.«
    »Meinst du...«
    »Ich meine, es war wahrscheinlich blöd von mir, überhaupt hierherzukommen. Was ist eigentlich, wenn mich jemand beobachtet?«
    »Das schien dir am Samstag noch ganz egal zu sein.«
    »Ich hab das bis jetzt alles ziemlich verdrängt. Und außerdem war ich am Samstag ziemlich von Sinnen.«
    »Vom Mordanschlag oder vom Orvieto?«
    »Wegen dir. Und das bin ich auch jetzt noch.«
    »Soll das jetzt ne Art Liebeserklärung sein oder so?«
    »So ungefähr.«
    »Paß gut auf dich auf, Mäxchen.«
    »Mach ich.«
    »Aber erst ab morgen. Jetzt verlieren wir erst noch mal so richtig schön den Verstand.«
    »So was Vernünftiges hab ich schon lang nicht mehr gehört.«

7.

    Um 5.00 Uhr wachte ich auf. Alwine lag auf dem Rücken. Ihre Decke war heruntergerutscht, und ich sah sie eine Weile an. Es gefiel mir ziemlich gut, was ich da sah. Ich entschied mich gegen den Gedanken, sie mit einigen kleinen Streicheleinheiten zu wecken. Es war Zeit, mir über einiges klarzuwerden. Ich legte Alwine einen Zettel auf den Küchentisch, ging zum Bahnhof und nahm ein Taxi nach Nippes. Zu Hause zog ich die Laufklamotten an und stand nach 5 Minuten wieder auf der Straße. In 8 Minuten war ich am Rhein,
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