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Ciao Tao

Ciao Tao

Titel: Ciao Tao
Autoren: Hen Hermanns
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abgeschlossen haben. Also was? Hatte ich jemanden überrascht? Aber ich wohnte in der 5. Etage, die Fenster waren geschlossen, eine Flucht über den Balkon war höchst unwahrscheinlich und lebensgefährlich. Sollte es eine Warnung sein? So nach dem Motto: wir können dich jederzeit kriegen, wenn wir nur wollen, überhaupt kein Problem, machen wir alles mit links?
    Ich rief einen Schlüsselnotdienst an und ließ für 300 Mark plus kriminell hohem Wochenendzuschlag ein angeblich einbruchssicheres Schloß einbauen.
    »Ärger mit dem Vermieter?« fragte der Mann vom Schlüsseldienst.
    »Nee, ich hab meine Frau vor die Tür gesetzt. Mit Hund und Kindern und allem.«
    Er schüttelte wissend den Kopf und machte eine Grimasse, die eine Mischung von Verständnis und leiser Resignation ausdrückte.
    »Sie sind schon der vierte heute. Ist immer dasselbe. Nachmittags kommt der Sonntags-Blues mit allen seinen Folgen.«
    Ich rief ein paar Bekannte an, die aber anscheinend alle vor ihrem Sonntags-Blues auf der Flucht waren. Ich versuchte es bei Sal in New York. Aber auch da hatte ich kein Glück. Ich hörte nur, wie der Sonntags-Blues klingt. Er klingt so absolut hundsgemein einsam wie das Freizeichen eines amerikanischen Telefons.

5.

    Ich schlief schlecht und fuhr am Montagmorgen schon früh zur Agentur. Auf dem Wochenplan war für 11.00 Uhr ein Rebriefing mit Dr. Caspari von der Kamphausen AG eingetragen. Um 14.00 Uhr wurde schon wieder der unangenehme Krakeeler Lütgenau erwartet, um endgültig seine High-Fashion-Misere in den Griff zu kriegen. Kein besonders erfreulicher Montag. Blieb als einziger Lichtblick, zwischen den Terminen noch einen Besuch beim Stehitaliener einzuplanen.
    Jetzt rief mich auch noch Rolf Schulze an und bat mich, bloß den Kamphausen-Termin nicht zu vergessen. Ich legte auf, und Schulze rief erneut an und bat mich, bloß nicht den Lütgenau-Termin zu vergessen. Schulze hatte nämlich die etwas eigentümliche Angewohnheit, für jeden einzelnen Kunden auch ein einzelnes Telefongespräch zu führen. Auch sonst war er ziemlich lästig. Aber das sind Etat-Directoren (ein Euphemismus für Oberkundenberater) immer. Wir Kreativen (Euphemismus für ideenproduzierende Angestellte) bezeichnen sie als Pappenträger, weil sie unsere auf schwarze Pappen geklebten Kreationen zum Kunden tragen. Schulze trug nun schon seit 6 Jahren die Pappen von W.A.T.CH. Und er ertrug seit 6 Jahren die Wutausbrüche und Beschimpfungen von Eckert. In Schulzes zweitem W.AT.CH.-Jahr, so eine der gern erzählten Agentur-Anekdoten, fuhr er mit Eckert zu einem Kunden. Auf der Autobahn gab es Aquaplaning, und Eckerts roter Porsche flog aus der Kurve, überschlug sich und blieb als Schrotthaufen liegen. Nachdem die Insassen (wunderbarerweise unverletzt) aus dem Auto gekrabbelt waren, ließ Eckert seinen legendären Satz los: »Falls Sie jetzt morgen auf die Idee kommen, krankzufeiern, werde ich Sie feuern.« Es war eine von Eckerts Lieblings-Stories, die er immer wieder gern zum besten gab. Während Schulze im Lauf der Jahre gesundheitlich immer mehr zum Schlechten hin tendierte. Er wurde dünn wie ein Hering und hatte Malaisen mit dem Magen. »Der riecht aus dem Mund wie ein offenes Grab«, kommentierte Eckert das in seiner unnachahmlichen Art. Warum Schulze trotzdem bei W.A.T.CH. blieb, war mir ebenso ein Rätsel wie der Fall des von Eckert entweihten Art-Directors Wolfgang Brauer. Arbeitete ich in einem Masochisten-Club?
    »Kann mal jemand Kaffee machen«, dröhnte Eckert durch das altehrwürdige Jugendstilhaus, in dem einst ein Gynäkologe praktiziert hatte, »und der Reinartz und der Sigi sollen mal kommen.«
    Das Empörendste, was einem das Schicksal antun kann, ist wohl, von einem notlandenden Paraglider erschlagen zu werden. Für Agenturkreative gibt es allerdings Schlimmeres: von sogenanntem Below-the-line-Scheiß getroffen zu werden. Darunter fällt fast alles, was keine doppelseitige vierfarbige Anzeige, ein Fernsehspot oder wenigstens ein Funkspot ist. Below-the-line, das sind diese grauenhaften Prospekte und Faltblätter, Displays und Regalnasen, die auch alle irgendwie erdacht, gestaltet, getextet und durchlitten werden müssen. Und jetzt saßen im Meeting-Room rund um den gutgelaunten Eckert ein paar mir unbekannte Nadelstreifenanzugträger, die genau eben diese Below-the-line-Scheiße von uns verlangten. Yuppies von der übelsten Sorte, die mit irgendeinem Dreck eine schnelle Mark machen wollten. Boss-Anzüge, Swatch-Uhren,
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