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Chronos

Titel: Chronos
Autoren: Robert Charles Wilson
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suchte er sich ein Telefon aus, das er einfach einstöpseln konnte, und bei Sears zahlte er dreihundert Dollar für einen tragbaren Farbfernseher.
    Derart für das nackte Überleben ausgerüstet, fuhr er über die Post Road zum Haus.
    Die Sonne ging bereits unter, als er eintraf. Sah das Haus verflucht aus? Nein, dachte Tom. Das Haus wirkte ländlich, vorstädtisch. Die Holzwände waren etwas verwittert, der ganze Bau erschien in dem Kiefernwald eher verloren, auf keinen Fall gefährlich. Wenn es dort spukte, dann war es ausschließlich Meister Proper. Oder vielleicht sogar eine ganze Heinzelmännchenkompanie.
    Der Schlüssel drehte sich glatt im Schloss.
    Als er über die Schwelle trat, hatte er die kurze, aber beunruhigende Empfindung, dass dieses Haus trotz allem jemand anderem gehörte ... dass er, ebenso wie die jugendlichen Kriminellen, hier eingebrochen war. Na ja, Schwamm drüber. Er betätigte jeden Lichtschalter, den er fand, bis der Raum strahlend hell erleuchtet war. Er stöpselte den Kühlschrank ein – er begann sofort zu summen – und stellte die Coladosen hinein. Er schloss den Fernseher an und richtete die Antenne auf eine Station in Tacoma aus. Das Bild war zwar etwas verschwommen, aber durchaus erträglich. Er drehte die Lautstärke hoch.
    Lärm und Licht.
    Er heizte den altmodischen weißen Emailherd vor, betrachtete die Heizplatten für einen Moment, um sich zu vergewissern, dass alles funktionierte. (Es funktionierte.) Die schwarzen Drehknöpfe aus Bakelit waren so glatt wie Ebenholz. Seine Fingerabdrücke wirkten wie eine Beleidigung für die polierte Oberfläche. Er schob ein Fertiggericht in den Backofen und schloss die Klappe. Willkommen daheim.
    Ein neues Leben , dachte er.
    Deshalb war er hierhergekommen – zumindest hatte er es so seinen Freunden erklärt. Wenn man sich an diesem sauberen, hell erleuchteten Ort umsah, konnte man es – beinahe – glauben.
    Er nahm das Fertiggericht ins Wohnzimmer mit und stocherte mit einer Plastikgabel an dem lauwarmen Brathuhn herum, während MacNeil (oder Lehrer, er hatte die beiden noch nie richtig auseinanderhalten können) eine Round-Table-Diskussion über die chinesische Krise dieses Jahres leitete. Als er seine Mahlzeit verzehrt hatte, stopfte er den Aluteller in einen Plastikmüllsack – noch war er nicht so weit, dass er sich hygienische Schlampigkeiten erlaubte – und öffnete eine Coladose. Er sah sich zwei Naturdokumentationen und einen Bericht über die Geschichte des Mormonentums an. Dann war es auf einmal schon spät, und als er den Fernseher ausschaltete, hörte er, wie draußen der Wind mit den Kiefernästen spielte. Er wurde daran erinnert, wie weit er die Stadt hinter sich gelassen und wie viel Einsamkeit er sich möglicherweise hier eingehandelt hatte.
    Er drehte die Heizung auf. Das Wetter war noch immer ziemlich kühl, und es dauerte noch einige Zeit bis zum Sommer. Er trat nach draußen und betrachtete die Silhouetten der Kiefern vor dem Nachthimmel. Sterne funkelten. Du hast einen weiten Weg zurückgelegt, dachte Tom, um einen solchen Himmel sehen zu können.
    Ins Haus zurückgekehrt, verriegelte er die Tür hinter sich und legte die Sicherheitskette vor.
    Das Bett im großen Schlafzimmer gehörte jetzt ihm ... aber er hatte noch nie darin geschlafen, und er spürte die Last seiner Fremdheit. Das Bett war im gleichen modernen dänischen Stil wie die restlichen Möbel gehalten. Unauffällig, stilistisch fast universell, als sei es eine Summe aus hundert ähnlichen Stilformen. Nicht unverwechselbar, aber solide und zuverlässig. Er prüfte die Matratze; sie war fest. Die Laken rochen schwach nach sauberem, frisch gestärktem Leinen und überhaupt nicht nach Alter und Staub.
    Ich bin hier ein Eindringling ...
    Aber er schüttelte den Kopf bei diesem Gedanken. Ein Eindringling war er gewiss nicht, nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Prozeduren und dem durch eine Kaufquittung symbolisierten Segen des Immobilienbüros. Er war jetzt ein Hausbesitzer. Zweifel und böse Ahnungen waren in diesem Moment völlig fehl am Platze.
    Er knipste die Nachttischlampe aus und schloss die Augen in der fremden Dunkelheit.
    Er glaubte ein fernes Summen zu hören ... kaum wahrnehmbar über dem Flüstern seines eigenen Atems. Es war der Klang weit entfernter, verborgener Maschinen. Nachtarbeit in einer unterirdischen Fabrik. Oder, was wahrscheinlich war, das Echo seiner Einbildung. Als er versuchte, es zu lokalisieren und sich darauf zu
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