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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
Autoren: Thomas Thiemeyer
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betreten. Frau Riethmüller rauschte voran, dicht gefolgt von den beiden Männern, die zumindest den Anstand wahrten und ihre Hüte abnahmen. Der Geruch von frisch gebrühtem Earl Grey und Zimtgebäck erfüllte den Raum. Eliza war dort und begrüßte alle mit einem warmherzigen Lächeln. Oskars Freunde hatte man wohlweislich in die Küche verbannt. Nicht, weil sie unerwünscht waren, der Forscher befürchtete nur, sie könnten durch ihre direkte und ungekünstelte Art den Zorn seiner Schwester auf sich ziehen. Maria Riethmüller bedachte Eliza mit einem abschätzigen Blick, dann ließ sie sich in einen der Sessel fallen. Oskar konnte sich nicht helfen, die Frau erinnerte ihn an ein gewaltiges Huhn. Ihr Begleiter war auch nicht besser. Verlegen hüstelnd und mit dem Ärmel immer wieder den Rand seines Zylinders polierend, sah man ihm an, dass er voll und ganz unter der Knute seiner Begleiterin stand. Einzig der Gendarm wirkte sympathisch. Dankbar nahm er eine Tasse Tee und etwas Gebäck in Empfang und setzte sich damit abseits an einen Tisch.
    »Möchtest du mir nicht deinen Begleiter vorstellen?« Humboldt ließ sich von Eliza ebenfalls Tee reichen und nippte an seiner Tasse.
    »Das ist Bernhardt Igel, mein Verlobter.«
    Humboldt musste einen Hustenanfall unterdrücken. »Du bist verlobt?«
    Ihr Mund verzog sich zu einem unterkühlten Lächeln. »Ganz recht. Wir haben uns im Sanatorium kennengelernt. Bernhardt ist Immobilienmakler mit Sitz in Bremen. Wir wollen in einem halben Jahr heiraten.«
    »Nun, dabei wünsche ich euch alles Gute.« Humboldt wischte mit der Serviette über seinen Mund. »Bitte verzeih meine Überraschung. Ich war nur nicht darauf vorbereitet, dass du so bald schon wieder in den Hafen der Ehe einlaufen würdest.«
    »Spar dir deinen süffisanten Ton.« Sie reckte ihre Nase ein wenig in die Luft. »Ich bin keine Frau, die lange allein sein möchte.« Ihr kühler Blick traf Oskar. »Und wer ist das?«
    »Oh, ich vergaß, es zu erwähnen: Dies ist mein Sohn. Oskar Wegener. Ich habe ihn vor einigen Monaten adoptiert. Seitdem lebt er bei mir. Er ist ein ausgezeichneter Assistent geworden.«
    Wenn Maria überrascht war, ließ sie es sich nicht anmerken. »Wegener?« Sie spitzte die Lippen. »Doch nicht etwa der Sohn dieser mittellosen Schauspielerin?«
    »Doch, genau der.«
    Oskar spürte, wie sich seine Fingernägel in seine Handflächen bohrten. Humboldt hingegen tat so, als hätte er die Spitze überhört. »Es hat mich einige Zeit gekostet, ihn ausfindig zu machen. Aber jetzt ist er da und ich bin sehr froh darüber.«
    »Eine Schwarze, ein Straßenjunge und ein Kiwi. Eine schöne Gesellschaft für meine Tochter. Ich werde keine Sekunde länger mitansehen, wie du mein Kind verdirbst.« Sie klatschte mit ihren breiten Händen auf ihren Schoß. »Wo ist sie denn nun? Ich will sie sehen, und zwar sofort. Wenn sie nicht binnen fünf Minuten hier eintrifft, werde ich Anzeige wegen Entführung erstatten.«
    Humboldt stellte die Tasse ab und blickte zum Fenster hinaus. »Kein Grund, sich aufzuregen. Ich glaube, ich habe sie gerade gehört.«
    Oskar konnte sehen, wie die Kutsche vorfuhr und Charlotte ausstieg. Mit schnellen Schritten eilte sie aufs Haus zu.
    Die Tür wurde aufgestoßen und Charlotte betrat den Raum. Ihre Wangen glühten und in ihren Augen leuchtete Kampfeswillen.

 
68
     
     
    »Charlotte!« Frau Riethmüller schwebte mit ausgebreiteten Armen auf ihre Tochter zu. »Endlich sehen wir uns wieder.«
    »Hallo, Mutter.« Charlotte wich den gewaltigen Armen aus und nahm neben dem Forscher Platz. Die schwarze Ledermappe, die sie unter ihrem Arm trug, legte sie auf den Tisch. Eliza reichte ihr etwas Tee und Gebäck. »Konntest du alles erledigen, was du wolltest?«
    »Allerdings«, sagte Charlotte.
    Maria Riethmüller setzte sich zurück auf ihren Platz. Wenn sie die kühle Begrüßung schockierte, so war sie zu weltgewandt, um sich ihre Bestürzung lange anmerken zu lassen. »Kennst du eigentlich meinen Verlobten, Bernhardt Igel?« Sie ging sofort wieder in den üblichen Plauderton über.
    »Nein, woher sollte ich? Ich war viel auf Reisen. Aber ich freue mich, dass du jemanden gefunden hast, der bereit ist, sein Leben mit dir zu teilen. Sehr erfreut, Herr Igel.« Sie reichte ihm die Hand.
    Oskar hatte das Gefühl, dass mit Charlotte irgendetwas nicht stimmte. Sie wirkte, als könne sie ihre Wut und Enttäuschung nur mit Mühe unterdrücken.
    »Ebenfalls.« Herr Igel wippte kurz hoch, drückte
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