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Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch

Titel: Chroniken der Weltensucher 03 - Der gläserne Fluch
Autoren: Thomas Thiemeyer
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erklärte. Sie kann also auf natürlichem Weg keine Kinder bekommen. Die Frage, die sich jetzt stellt, ist: Woher stamme ich?«
    Alle Augen richteten sich auf die große Frau im violetten Kostüm. Maria rang sichtlich um Fassung. Es dauerte eine Weile, doch dann gelang es ihr, sich wieder unter Kontrolle zu bringen. Sie kramte in ihrer Handtasche herum und förderte einen Fächer zutage, mit dem sie sich eifrig Luft zufächelte. »Du wurdest adoptiert«, sagte sie kurz angebunden.
    Wieder entstand eine Pause.
    »Adoptiert, sagst du?« Charlotte schien diese Erklärung nicht zu genügen. Oskar hatte sogar das Gefühl, als hätte sie genau mit dieser Antwort gerechnet.
    »Und warum hast du mir das nie gesagt?«
    »Ich hielt es nicht für wichtig.«
    »Nicht für wichtig, soso.« Charlottes Stimme zitterte vor Empörung. »Ja, ich dachte mir, dass du dich auf so etwas herausreden würdest, deshalb habe ich mich auch in dieser Richtung schlaugemacht. Und weißt du, was? Auch das stimmt nicht. Es existieren nämlich weder Adoptionspapiere noch eine Geburtsurkunde. Alles, was ich gefunden habe, ist eine Rechnung der zuständigen Hebamme. Eine Hausgeburt, wenn ich das richtig interpretiere.« Charlotte stützte sich auf den Tisch und beugte sich in Richtung der Frau. »Ich frage dich, Maria: Hast du irgendeinen Beweis für die Behauptung, dass bei meiner Adoption alles mit rechten Dingen zugegangen ist?«
    Die Frau schniefte theatralisch in ihr Taschentuch. »Die Dokumente sind seinerzeit bei einem Umzug verloren gegangen. Dein Vater und ich haben das Haus auf den Kopf gestellt, doch sie sind nicht wieder aufgetaucht.«
    »Wie praktisch, nicht wahr?« Charlotte lachte auf. »Aber selbst wenn die Dokumente verschwunden sind, so müssten doch irgendwo Kopien existieren. Bei deinem Hausarzt, beim Standesamt oder bei der Hebamme. Aber dort sind keine Abschriften, ist das nicht seltsam? Überhaupt, diese Hebamme. Ich habe sie nach langer und mühevoller Suche ausfindig gemacht. Eine sehr unsympathische alte Frau, die auf mich den Eindruck machte, als würde sie für Geld alles tun. Ich frage dich: Was stimmt nun? Dass ich deine leibliche Tochter bin oder dass ich rechtmäßig adoptiert wurde? Oder gibt es vielleicht noch eine dritte Möglichkeit?« In ihren Augen glitzerten Tränen.
    Maria zog süffisant eine Augenbraue in die Höhe. »Was willst du damit andeuten?«
    »Vielleicht, dass ich …«, hier musste sie schniefen, »… dass die Schwangerschaft nur inszeniert war und ihr mich irgendeiner verarmten Mutter für ein paar Mark abgekauft habt? Derlei Dinge sollen ja in Kreisen mit genügend Geld und Einfluss durchaus üblich sein.« Sie wischte sich über die Augen.
    Maria zog die Luft ein. »Das ist ungeheuerlich. Eine solche Anschuldigung muss ich mir nicht bieten lassen. Nicht vor diesem Beamten und nicht vor meinem Bruder mit seinem zusammengewürfelten Hofstaat.« Sie riss ihrem Verlobten die Taschenuhr aus der Hand und stopfte sie zurück in sein Jackett. »Es hat alles seine Richtigkeit, das ist alles, was ich zu diesem Thema zu sagen habe. Eine Frechheit, dass hinter meinem Rücken hinter mir herspioniert wird. Das wird noch Konsequenzen haben, das verspreche ich dir, mein Fräulein. So, und nun pack deine Sachen.«
    Charlotte reckte ihr Kinn vor. Die Lippen zusammengepresst und die Tränen mühsam unterdrückend, stieß sie aus: »Ich werde nicht mitkommen.«
    Maria stand auf und raschelte mit ihrem Kleid. »Du willst Krieg? Na gut, dann eben auf die harte Tour. Herr Gendarm, wären Sie bitte so gut, meine Tochter zur Kutsche zu begleiten? Ich schicke dann jemanden nach, der das Gepäck abholt.«
    Der Polizist setzte seine Kappe auf und strich sich über den Schnurrbart. »Es tut mir leid, Frau Riethmüller. Ich bin kein Richter, aber die Dokumente und der Bericht von Fräulein Charlotte lassen erheblichen Zweifel am Familienstand Ihrer Tochter aufkommen. Ich kann Ihnen nur raten, übergeben Sie die Sache einem Familiengericht und bringen Sie Klarheit in Ihre Verhältnisse. Ich kann hier nichts weiter für Sie tun. Wenn Sie mich jetzt entschuldigen würden, ich werde woanders gebraucht.« Er tippte an die Krempe seiner Mütze und verließ den Raum. Oskar hatte den Eindruck, dass er sehr froh war, endlich von hier wegzudürfen.
    Maria starrte wütend hinter dem Polizisten her. Sie wusste, dass sie verloren hatte. Trotzdem drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick auf Charlotte.
    »Dann ist das also
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