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Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache

Titel: Chroniken der Dunkelheit - 01 - Eisdrache
Autoren: A. J. Lake
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Sehen hatte, egal, ob Mensch, Hund, Katze, Eidechse oder Ratte, alles, nur nicht die Augen dieses bösen Menschen … 
    Plötzlich packte Cluaran ihn an den Armen und hielt ihn wie in einem Schraubstock fest und der Druck seiner Hände beschwor eine andere Szene in Adrian herauf. Er hatte sie nach dem Ritt durch das Labyrinth geträumt. Wieder sah er die Gestalt mit der Kapuze, Elsa, die an eine fürchterliche Apparatur gefesselt war, und ein Messer, das zustach …
    Dann dachte er an Medwel und den anderen Traum, dessen Warnung er nicht beachtet hatte.
    »Ich versuche es«, sagte er.
     
    Er setzte sich auf den Boden und lehnte sich mit dem Rücken an das Heu, während Cluaran an der Tür Wache hielt. Ganz langsam tastete er sich in Gedanken vor und suchte nach Orgrim. Wenn er mich nun entdeckt?, dachte er. Vielleicht merkt er, dass ich versuche, mit seinen Augen zu sehen, so wie ich es merke, wenn er bei mir eindringen will.
    Doch das Bild der gefesselten Elsa trieb ihn an. Lautlos suchte er die Straßen ab und schlängelte sich in Gedanken zwischen den Bürgern von Venta hindurch. Er schickte seine Gedanken weiter aus als je zuvor.
    Und dann fand er ihn. Er wusste sofort, dass es sich um Orgrim handelte, und spürte, wie sein Körper zusammenzuckte, als die metallene Kälte von Orgrims Gedanken ihn traf. Entschlossen blickte er durch die Augen des Dunkelauges.
    Er sah eine Kammer mit steinernen Wänden, nicht groß und mit Säulen verziert wie das Haus des Rates, sondern dunkel und gedrungen, mit niedriger Decke. An Halterungen brannten Fackeln, deren Rauch die Wände schwärzte, und in einer Ecke glühte ein Kohlenbecken auf drei Beinen. Die niedrige Tür schloss dicht. Unter ihr drang kein Licht hindurch.
    An der Wand stand ein grob gezimmertes Regal mit einigen Büchern und verschiedenen Messern, Stacheln, Gurten und anderen Instrumenten, die Adrian nicht kannte. Auf einer Stange saß wie versteinert ein großer schwarzer Vogel. Orgrim trat vor das Regal und wählte ein Messer aus. Die lange Klinge blitzte im Fackellicht rot auf. Dann drehte er sich um …
    Adrian wusste bereits, was er als Nächstes sehen würde. Alles in ihm drängte danach, zu fliehen. Ganz ruhig! ,befahl sein Verstand. Du darfst dich nicht verraten. Er sah weiter mit seinen Augen durch die von Orgrim. Dort, im Schatten, standen die seltsamen Apparaturen, die er aus seinem Traum kannte: eine lange, mit Gurten versehene hölzerne Plattform und von einem Deckenbalken herunterhängende Seile. Und dort, an einem mannshohen Eisengestell, hing Elsa wie ein in die Falle gegangenes Reh.
    Um den Hals trug sie eine Manschette, Hand- und Fußfesseln umschlossen ihre Handgelenke und Füße. Sie schien bewusstlos zu sein, doch als Orgrim zu ihr trat, öffnete sie die Augen. Das Kristallschwert wuchs leuchtend aus ihrer behandschuhten Hand, doch konnte sie es wegen der Handschellen nicht bewegen. Ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei.
    Orgrim sagte etwas, was Adrian nicht verstehen konnte. Elsa starrte Orgrim wütend an. Sie ist so tapfer, dachte Adrian hilflos, aber alle Tapferkeit der Welt kann sie jetzt nicht retten.
    Er hörte eine Stimme von außerhalb sagen: »Was siehst du, Adrian?« Er hatte Cluaran ganz vergessen. Er sollte ihn doch zu Orgrim führen – aber wie konnte er herausfinden, wo Orgrim sich aufhielt? Wieder suchte er nach Orgrims Stimme. Die Augen hielt er unverwandt auf Elsas Gesicht gerichtet, in dem sich Wut und Verzweiflung mischten.
    »Elsa ist in einem dunklen Zimmer, in dem nur Fackeln brennen … Vielleicht unter der Erde? Aber ich sehe keine Leiter, keine Treppe …« Er brach ab. Orgrim hatte Elsa den rechten Ärmel abgerissen und drückte ihr die Spitze seines Messers in die Haut. Elsa riss vor Schmerz die Augen auf.
    »Er tut ihr weh!«, rief Adrian.
    »Was siehst du sonst noch?« Cluarans Stimme klang ruhig und unbeteiligt.
    »Der Boden ist uneben … die Decke auch. Sie wird von einem Pfeiler gestützt.«
    Elsa schrie.
    »Wände aus Stein«, fuhr Adrian in wachsender Panik fort. »Nein, halt …« Die Wand hinter Elsa war nicht aus Stein gemauert. Es war eine Felswand, wie in einer Höhle. Und der Boden, auf dem der Pfeiler stand … war das nicht gestampfte Erde?
    »Das ist kein Zimmer, sondern eine Höhle! Oder eine in einen Berg hineingebaute Kammer. Die steinernen Wände gehen in Felsen und Erde über.«
    »Die Klause des Einsiedlers!«, rief da der Sänger. »Nordöstlich der Stadtmauer.« Schnelle Schritte
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