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Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Autoren: Anne Rice
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Worte zu dir sagte, und so wiederhole ich sie hier also.« Ich konnte mich nicht überwinden, ihm zu gestehen, dass ich in einer Phase war, in der ich menschliche Gesellschaft brauchte, und wie sehr mich danach verlangte, die Nacht mit dem kleinen Benji zu verplaudern, der nachgerade ein Weiser war, oder Sybelle zu lauschen, wenn sie immer und immer wieder ihre Sonate spielte. Es schien mir unwichtig, das näher zu erklären. Und wieder legte sich diese Traurigkeit schwer lastend und unabweisbar über mich, weil ich in dieses leere, gottverlassene Kloster gekommen war, in dem Lestat lag und sich nicht regen konnte oder wollte - wer von uns wusste das schon. »Meine Gesellschaft wird im Augenblick nutzlos für dich sein, Herr«, sagte ich. »Aber sicherlich wirst du mir entgegenkommen und mir eine Möglichkeit zeigen, dich zu finden, wenn ich diese Phase überwunden habe …« Die Worte erstarben mir auf den Lippen. »Ich habe Angst um dich!«, flüsterte er plötzlich mit großer Wärme in der Stimme. »Mehr, als es früher der Fall war, Herr?«, fragte ich. Er dachte kurz nach. Dann sagte er: »Ja. Du liebst zwei Menschenkinder. Sie sind für dich wie der Mond und die Sterne. Komm und bleib bei mir, wenn auch nur für eine Weile. Sag mir, was du über Lestat denkst und was geschehen ist. Vielleicht, wenn ich verspreche, sehr still zu sein und dich nicht zu drängen, sagst du mir auch deine Meinung zu all dem, was du kürzlich gesehen hast.«
    »Du rührst sehr taktvoll daran, Herr, wie bewundernswert! Du willst doch eigentlich sagen: Warum habe ich Lestat geglaubt, als er behauptete, er hätte den Himmel und die Hölle besucht? Du willst wissen, was ich sah, als ich die Reliquie, das Schweißruch der Veronika, betrachtete, die er von dort mitgebracht hafte.«
    »Nur, wenn du es erzählen willst. Ganz ehrlich, ich möchte nur, dass du zu mir kommst und ruhst.«
    Ich legte meine Hand auf die seine. Dabei wunderte ich mich vage, warum meine Haut trotz allem, was ich durchgemacht hatte, fast ebenso weiß war wie seine. »Du wirst meine Kinder geduldig ertragen, bis ich komme, ja?«, fragte ich. »Sie sind hergekommen, um bei mir zu sein, nun halten sie sich für ganz schrecklich verrucht und pfeifen ganz lässig vor sich hin in diesem Schmelzkessel der Untoten, könnte man sagen.«
    »Untote.« Marius lächelte vorwurfsvoll. »Was für Ausdrücke! Und das in meiner Gegenwart. Du weißt, wie ich das hasse.« Er drückte mir schnell einen KUSS auf die Wange. Das erschreckte mich, doch dann war er auch schon fort. »Ach, die alten Tricks!«, sagte ich laut und fragte mich, ob er immer noch nah genug war, um mich zu hören, oder ob er seine Ohren vor mir ebenso fest verschlossen hatte, wie ich die meinen gegenüber der Welt dort draußen.
    Ich starrte ins Nichts und verlangte plötzlich nach Stille, träumte von grünen Lauben, nicht in Worten, sondern in Bildern, wie sie mir mein Geist in vergangenen Zeiten vorspiegelte, wenn ich mir wünschte, in Gartenbeeten inmitten wuchernder Blumen zu liegen, das Gesicht an die feuchte Erde gepresst, und leise vor mich hin zu singen. Den Frühling draußen, die Wärme, den wabernden Dunst, der wie Regen war … Nach all diesem sehnte ich mich. Ich sehnte mich nach dem sumpfigen Wald vor der Stadt, doch auch Sybelle und Benji sehnte ich herbei, und ich sehnte mich danach, fort zu sein, und nach ein bisschen Willenskraft, um einfach weitermachen zu können.
    Ach, Armand, immer schon fehlt dir dieses eine, die Willenskraft. Lass diese alte Geschichte sich nicht wiederholen. Was geschehen ist, sollte wie eine schützende Rüstung für dich sein. Jemand war in der Nähe. Plötzlich erschien es mir absolut grässlich, dass irgendein Unsterblicher, den ich nicht kannte, mich hier, wo ich mich meinen ungeordneten, intimen Gedanken hingab, belästigen mochte, vielleicht um egoistischerweise in seinen Gedanken über meine Gefühle zu grübeln. Es war nur David Talbot.
    Er kam aus der Kapelle, durch die Verbindungsräume zum Hauptgebäude des Klosters, wo ich gerade auf dem Podest der zweiten Etage stand.
    Ich sah ihn in den Gang eintreten. Hinter ihm befand sich die Glastür zur Galerie, und jenseits davon schimmerte das weiche, goldene und weiße Lichtgemenge des darunter liegenden Hofes.
    »Es ist jetzt ruhig hier«, sagte er, »und das Mansardenzimmer ist leer, und du weißt natürlich, dass du hinaufgehen kannst.«
    »Geh weg«, sagte ich. Ich fühlte keinen Ärger, nur den ehrlichen
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