Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir

Titel: Chronik der Vampire 06 - Armand der Vampir
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
und marschierte mit einem kleinen Stirnrunzeln zur Tür, um die neue Situation einzuschätzen und sofort unter Kontrolle zu bringen.
    Zuerst dachte ich, dass mich meine Augen trügen würden, aber schnell erkannte ich, wer die Gestalt war, die da erschien. Die Tür öffnete sich und schloss sich wieder hinter einem steifen, unbeholfenen Arm. Er humpelte beim Gehen, was aber eher einer gewissen Erschöpfung und mangelnder Übung zuzuschreiben war. Im breiten Lichtstrahl, der auf das Gras vor unseren Füßen fiel, blieb er stehen.
    Ich war erstaunt. Niemand wusste, was er vorhatte. Keiner rührte sich. Es war Lestat, und er sah noch genauso abgerissen und staubig aus wie auf dem Boden der Kapelle. Soweit ich es beurteilen konnte, drang kein Gedanke aus seinem Hirn, und seine Augen blickten unklar und leicht verwundert. Er stand vor uns und schaute uns nur an, und dann, als ich vom Boden aufstand, um ihn zu umarmen, drückte er sich an mich und flüsterte mir etwas ins Ohr.
    Seine Stimme war zögerlich und schwach, weil er so lange nicht gesprochen hatte, und er sprach sehr leise, es war kaum mehr als ein Hauch auf meiner Haut.
    »Sybelle«, sagte er.
    »Ja, Lestat? Was ist denn, was ist mit ihr? Sag es«, antwortete ich. Ich hielt seine Hände in einem festen, liebevollen Griff.
    »Sybelle«, sagte er abermals, »meinst du, sie würde die Sonate für mich spielen, wenn du sie bittest? Die Appassionata?«
    Ich schaute in seine gedankenverlorenen, blauen Augen. »O ja«, sagte ich, vor Aufregung fast atemlos und überschwänglich. »Lestat, sie würde bestimmt gern für dich spielen. Sybelle!« Sie hatte sich schon umgedreht. Sie beobachtete mit Erstaunen, wie er sich langsam über den Rasen hinweg zum Haus bewegte. Pandora machte Platz für ihn, und wir schauten alle in achtungsvoller Stille zu, wie er sich neben dem Flügel niedersetzte, den Rücken an das vordere rechte Bein des Instrumentes gelehnt. Er zog die Knie an und legte den Kopf erschöpft auf seine verschränkten Arme. Dann schloss er die Augen. »Sybelle«, sagte ich, »würdest du für ihn spielen? Würdest du bitte noch einmal die Appassionata spielen?«
    Und natürlich spielte sie.
    - ENDE -
     
    8.12 Uhr - 6. Januar 1998 - Dreikönigstag
     
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher