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Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir

Titel: Chronik der Vampire 01 - Interview mit einem Vampir
Autoren: Anne Rice
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Meister geschaffen worden waren, ihm zur Überfahrt nach New Orleans verholten hatten.
    Ich kann dir die Gefühle nicht schildern, die ich bei diesem Bericht empfand. Natürlich hat Armand mir erzählt, er habe mir dies vorenthalten, da er nicht wollte, daß ich aus reinen Rachegelüsten eine lange Reise unternommen hätte, eine Reise, die mir zu der Zeit viel Schmerz und Leid bereitet hätte. Doch in Wirklichkeit lag mir nicht viel daran. Mir war Lestat gar nicht in den Sinn gekommen, als ich das Theater in Brand steckte; ich hatte an Santiago und Celeste und all die anderen gedacht, die an Claudias Tod schuld waren. Lestat hingegen hatte in mir Empfindungen wachgerufen, die ich niemandem hätte anvertrauen mögen, Empfindungen, die ich trotz Claudias Tod vergessen wollte. Haß war nicht darunter gewesen.
    Doch als ich es nun von Armand hörte, war es, als sei der Schleier, der mich geschützt hatte, dünn und durchsichtig geworden, und obwohl er immer noch zwischen mir und der Welt der Gefühle hing, erblickte ich durch ihn Lestat und erkannte, daß ich ihn wiedersehen wollte. Und mit diesem Ansporn fuhren wir nach New Orleans.
    Es war im späten Frühling. Und sobald wir aus dem Bahnhof traten, wußte ich, daß ich wirklich heimgekehrt war. Die Luft hatte ein eigenes Parfüm, und mir war unendlich wohl, als ich unter vertrauten Bäumen einherschritt und den zitternden Tönen der Nacht lauschte.
    Natürlich hatte sich die Stadt verändert; doch ich klagte nicht darüber, sondern war dankbar für alles, was noch das gleiche schien. Im Gartenviertel der Oberstadt, zu meiner Zeit der Faubourg Sainte-Marie, fand ich noch stattliche Villen aus jenen Tagen, in gebührendem Abstand von der Straße, so daß ich im Mondschein unter Magnolien wandeln und den gleichen süßen Frieden spüren durfte wie früher; und so war es in den alten engen Straßen und in der Wildnis von Pointe du Lac. Es gab noch die Rosen und das Geißblatt, die korinthischen Säulen vor dem Abendhimmel und verträumte Gassen, Plätze und Gärten – eine Zitadelle der Anmut.
    In der Rue Royale, wo ich Armand die Antiquitätengeschäfte und die hell erleuchteten Eingänge der Luxusrestaurants zeigte, fand ich das Haus, in dem wir gewohnt hatten - nur wenig verändert durch einen neuen Anstrich. Die beiden Glastüren gingen noch immer auf die kleinen Balkons über dem Laden darunter; und im Licht der elektrischen Lampen sah ich eine elegante Tapete im Stil der Zeit vor dem Weltkrieg. Lestat wurde mir wieder gegenwärtig, seltsamerweise mehr als Claudia, und ich war sicher, ihn in dieser Stadt zu finden. Und ich empfand noch etwas anderes; es war eine Traurigkeit, die mich damals überkam, nachdem Armand seiner Wege gegangen war. Doch diese Traurigkeit war weder schmerzlich noch leidenschaftlich. Sie hatte etwas Schweres, fast Süßes, so wie der Jasmin und die Rosen, die ich durch das eiserne Tor in dem alten Garten sah. Und diese Traurigkeit gab mir eine schwer deutbare Befriedigung, die mich lange Zeit an diesen Ort fesselte, und sie fesselte mich an die Stadt, und sie hat mich an jenem Abend, als ich fortging, eigentlich nicht verlassen.
    Eines Tages traf ich einen Vampir, einen geschmeidigen, glattgesichtigen jungen Mann, der in der frühen Morgenstunde vor der Dämmerung allein auf dem breiten Bürgersteig der St. Charles Avenue spazierte; wahrscheinlich, dachte ich, würde er Lestat kennen und mich vielleicht zu ihm führen. Er sah mich nicht, denn ich hatte schon seit langem gelernt, meinesgleichen in den großen Städten ausfindig zu machen, ohne daß man mich bemerkte. Armand hatte in kurzen Begegnungen mit Vampiren in London und Rom in Erfahrung gebracht, daß der Brand des Théâtre des Vampires in der ganzen Welt bekanntgeworden war und daß wir beide als Geächtete angesehen wurden. Ich hatte die Vampire gemieden, meide sie noch heute, um Auseinandersetzungen aus dem Wege zu gehen. Doch diesen Vampir in New Orleans beobachtete ich, und ich folgte seinen Spuren, wenn sie auch oft nur zu Theatern oder anderen Vergnügungen führten, an denen mir nichts lag. Doch eines Nachts kam es anders.
    Es war ein warmer Sommerabend, und sobald ich ihn auf St. Charles erblickte, wußte ich, daß er einem bestimmten Ziel zustrebte. Er ging nicht nur schnell, er schien auch irgendwie betrübt zu sein. Als er in eine enge Gasse einbog, folgte ich ihm und sah ihn in ein kleines Haus gehen und eine Frau töten. Er tat es rasch, ohne eine Spur von Vergnügen;
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