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Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod

Titel: Chronik der Unsterblichen - 12 - Der schwarze Tod
Autoren: Wlofgang Hohlbein
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ihn mit seinem Körper vor den Flammen zu schützen.
    Hinter seiner Stirn gellte noch immer der lautlose Todesschrei, aber er achtete nicht darauf, sondern rollte herum, zerrte Rezzori mit sich und suchte mit Augen, die vor Schmerz zu explodieren schienen, nach einem Ausweg aus der Hölle, in die sich der Raum verwandelt hatte. Wohin er auch sah, loderten rote und gelbe Flammen. Trümmer und scharfkantige, glühende Glasscherben flogen wie tödliche Geschosse umher und bohrten sich in Wände, Boden und umhertorkelnde brennende Leiber. Lärm und Hitze waren unerträglich, und selbst die Luft, die er zu atmen versuchte, schien zu brennen. Mit verzweifelter Kraft stemmte er sich hoch, legte sich den halb bewusstlosen Signori über die Schulter und gewahrte noch im Aufspringen eine reglose Gestalt in einem brennenden schwarzen Mantel, die er sich kurzerhand über die andere Schulter warf, bevor er in die Richtung lostaumelte, in der er den Ausgang vermutete. Sehen konnte er ihn nicht. Obwohl die Katastrophe kaum einen Atemzug zurücklag, hatte sich der große Raum bereits zur Gänze in eine Hölle aus Licht und brüllender Hitze verwandelt, in der selbst das Atmen zum sicheren Todesurteil wurde.
    Eine brennende Gestalt taumelte vorüber, lodernd und durchbohrt von einem zerbrochenen Glasstab, den die enorme Druckwelle in einen Speer verwandelt hatte. Andrej stolperte über etwas, das er zu seinem Entsetzen als Schwester Innozenz’ brennenden Leichnam erkannte, aber er ließ das Entsetzen nicht an sich herankommen, sondern stolperte mit angehaltenem Atem und nur noch auf sein pures Glück vertrauend weiter. Über ihm bildete die Decke einen lodernden Baldachin aus verzehrendem Feuer, und der Boden zitterte noch immer. Wahrscheinlich würde das gesamte Gebäude gleich zusammenbrechen. Das würde sein sicheres Todesurteil bedeuten, denn Feuer gehörte zu den wenigen Dingen, die auch ihn schnell und zuverlässig töten konnten.
    Noch immer mit angehaltenem Atem, um sich nicht Rachen und Lungen zu verbrennen, stolperte er weiter, wich einem brennenden Balken aus, der von der Decke stürzte, und gewahrte einen dunkleren Bereich in dem Chaos aus Licht. Es war nichts als Glück, das ihn die Tür finden ließ, doch sie war verschlossen und stand ebenfalls schon in Flammen. Das schmale Fenster daneben war unter der Hitze geborsten und wartete mit unzähligen rasiermesserscharfen Zacken darauf, weiches Fleisch zu zerreißen, sodass Andrej noch einmal all seine Kraft zusammennahm und die schwere Tür mit zwei wuchtigen Tritten aus den Angeln sprengte.
    Die eisige Luft traf ihn mit solcher Wucht, dass er nur noch ein halbes Dutzend Schritte weiterstolpern konnte, bevor er kraftlos auf die Knie sank und die beiden schlaffen Körper von seinen Schultern gleiten ließ. Andrej gönnte sich den unbeschreiblichen Luxus, die eisige Nachtluft in zwei, drei, vier tiefen Zügen einzusaugen, ohne dabei das Gefühl zu haben, dass er Feuer atmete. Schließlich beugte er sich nacheinander über Rezzori und die nubische Kriegerin, um sie flüchtig zu untersuchen. Beide waren bewusstlos, und beide lebten noch, das war alles, was er im Moment sagen konnte, und für mehr war auch keine Zeit.
    Obwohl er sich so elend fühlte wie selten zuvor und sich nichts Schlimmeres vorstellen konnte, als in die tosende Feuersbrunst zurückzukehren, stemmte er sich hoch, schlug beiläufig eine Flamme aus, die aus seinem Ärmel züngelte, und machte sich auf den Weg. Es war schwer vorstellbar, dass in dem brennenden Gebäude noch jemand lebte, aber er musste es wenigstens versuchen.
    Er kam genau zwei Schritte weit, dann explodierte irgendetwas im Inneren der Glasbläserei – wahrscheinlich der zweite Ofen – mit solcher Urgewalt, dass sich sämtliche Tür- und Fensteröffnungen in die flammenspeienden Geschützpforten eines Kriegsschiffes zu verwandeln schienen. Was vom Dach noch übrig geblieben war, flog in einer rasenden Feuerwolke davon, und eine zweite und noch gewaltigere Druckwelle schleuderte ihn zu Boden. Es regnete brennende Trümmer und Flammen, und eine neuerliche Hitzewelle rollte über ihn hinweg und versengte auch noch den Rest seiner Augenbrauen und Haare. Der Knall war so gewaltig, dass er für einen Moment taub war und benommen liegen blieb. Seine Ohren klingelten noch immer, und er hatte das Gefühl, dass die gesamte Insel in Schieflage geraten war, als er seine protestierenden Muskeln zwang, ihn noch einmal in die Höhe zu stemmen.
    Belohnt
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