Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen

Titel: Chronik der Silberelfen Bd. 1 - Zeit der Rebellen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
Position erkennen. Davon abgesehen waren die Schmerzen inzwischen auf ein erträgliches Maß zurückgegangen.
    Das Tor selbst war gut bewacht, aber mit mir rechnete schließlich auch niemand. Die Wachen an den Außenmauern waren spärlich gesät, und derjenige, der mir am nächsten stand, hatte einen Angriff von hinten ganz sicher nicht erwartet.
    Ich schlitzte ihm die Kehle auf und hielt ihn in meinen Armen wie eine Geliebte, bis er verblutet war. Dann ließ ich ihn langsam zu Boden sinken. Es wäre eigentlich nicht notwendig gewesen, ihm den Mund zuzuhalten, denn nach dem ersten Schnitt konnte er ohnehin keinen Ton mehr von sich geben, aber auf diese Weise konnte das Opfer auch im Geiste keinen Hilferuf mehr absetzen. Als er zu Boden glitt, erhaschte ich einen Blick auf sein Gesicht und stellte zu meinem blanken Entsetzen fest, dass er kaum älter war als ich. Er hat für Calman Ruadh gekämpft, musste ich mir sagen, während das Blut in meinen Ohren rauschte. Er hat für Calman Ruadh gekämpft und getötet. Ich schloss einen kurzen Moment die Augen, öffnete sie wieder und wartete darauf, dass die Übelkeit in mir sich legte. Dieser Krieger war immerhin älter gewesen als das kleine Mädchen, Kennas Stieftochter. Älter.
    Aber kaum doppelt so alt.
    Er hatte für Calman Ruadh gekämpft. Er war im Krieg gewesen, ebenso wie ich. Wenn mein Gewissen mir weiterhin reinredete, würde ich versagen. Ich drehte mich schnell von dem toten Jungen weg und lief davon.
    Als ich bei den Stufen angekommen war, die in den kleinen Innenhof hinabführten, sprang ich einfach in die Tiefe. Und wieder hatte ich Glüc k – das größte bisher. An den Innenhof grenzte eine kleine Kammer, nicht viel größer als ein Verschlag, mit einem Regal und einem Feldbett, in dem die Wachen eine kurze Ruhepause zwischen ihren Rundgängen einlegen konnten, wenn die Festung unter Belagerung stand. Jemand war in dem Raum, aber gewiss nicht, um sich auszuruhen.
    Sonia war ein zähes Miststück, die mich mehr als einmal verprügelt hatte, als wir beide noch Kinder gewesen waren. Ihre Haare hatten die Farbe einer blanken Rosskastanie und ihre Augen schienen alle Farben des Moores in sich zu vereinen. Im Moment sah es jedoch so aus, als stünde dieses Moor in Flammen, so hasserfüllt funkelte sie ihren Angreifer an. Ich war froh, dass sie den Mistkerl ablenkte, das machte es mir umso leichter, seinen Kumpanen zu töten. Diesmal regte sich mein Gewissen nicht. Die Kerle hier waren nicht mehr jung, sie wussten, was sie taten. Sie töteten nicht nur für Calman Ruadh, sie folterten und quälten auch noch. Sonia hatte mich gesehen, ließ sich aber nichts anmerken, ja sie zuckte nicht mal mit der Wimper. Ihre Maske aus Hass und Verzweiflung blieb vollkommen unbewegt. Tapferes Mädchen. Zum ersten Mal empfand ich so etwas wie Sympathie für sie. Und sie wohl auch für mich, vor allem in dem Moment, als ich ihren Angreifer bei den Haaren packte, seinen Kopf nach hinten zerrte und meine Klinge tief in seiner Kehle versenkte.
    Sie grinste mich an. „Hätte nie gedacht, dass ich mich mal freuen würde, dich zu sehen, du kleiner Giftzwerg.“
    Tränen der Wut glitzerten in ihren wilden Augen und ihre eine Gesichtshälfte war ein einziger dunkelblauer Bluterguss. Ich war entsetzt. Das war nicht das Kriegsgebaren der Sithe, das war es nie gewesen, und ich ging davon aus, dass Sonia das nicht weniger erzürnte als mich.
    „Da s … das tut mir leid“, stammelte ich.
    „Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, du warst zur rechten Zeit am rechten Ort. Na ja, ein paar Minuten früher wäre vielleicht noch besser gewesen. Mit wem bist du hier?“
    „Möchtest du erst die gute oder erst die schlechte Nachricht hören?“
    Sie fluchte und dann schnappten wir uns die beiden herrenlosen Schwerter, die an der Wand lehnten.
    „Keine Angst.“ Ich zwinkerte ihr zu. „Die gute Nachricht ist, ich bin eine Ein-Mann-Armee. Wo sind die anderen Krieger?“
    „Jeder, der sich geweigert hat, gegen Conal zu kämpfen, wurde in die Vorratskammern gesperrt. Und wenn ich sage jeder, dann meine ich damit wirklich alle. Ach, und die Vorräte“, fügte sie lakonisch hinzu, „die wurden vorher natürlich in die Wachquartiere gebracht.“
    „Was ist mit den anderen Bewohnern?“
    Sonia schaute besorgt drein. „Ich weiß es nicht. Wir wurden vor Tagen getrennt. Eine Seuche war ausgebrochen, aber inzwischen haben wir’s überstanden. Sie haben behauptet, ein paar von uns hätten sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher