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Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenwanderer: Band 2 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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er ist?«
    »Er ist zum Fluss hinuntergegangen. Stör ihn lieber nicht.«
    Torak verließ die Hütte.
    Das Lager war schon auf den Beinen. Auf dem Steg hockten mit Speeren bewaffnete Männer und Frauen, andere schürten das Feuer für das Tagmahl. Von fern hörte man mit Klack! Klack! Stein auf Stein schlagen. Alle lenkten sich ab, um nicht an Oslak und Bera denken zu müssen, die gefesselt in der Krankenhütte lagen.
    Torak folgte dem Lauf des Breitwassers, vorbei an den Stromschnellen und um die Biegung, bis er das Lager aus den Augen verlor. Hier war die Strömung nicht mehr so reißend, die Lachse glitten wie silbrige Pfeile durch das tiefe grüne Wasser.
    Fin-Kedinn saß auf einem Uferfelsen und fertigte ein Messer an. Vor ihm lag das Werkzeug ausgebreitet: Schlagsteine, Meißel und ein Rindenbecher mit gekochtem Kiefernblut. Im Moos wartete ein Häufchen nadelspitze Steinsplitter.
    Torak bekam Herzklopfen. Er bewunderte den Anführer der Raben, aber er fürchtete sich auch vor ihm. Fin-Kedinn hatte ihn nach Fas Tod bei der Sippe aufgenommen, ihm aber nie angeboten, sein Ziehsohn zu werden. Er wahrte immer eine gewisse Zurückhaltung, als wollte er Torak ganz bewusst nicht zu nah an sich heranlassen.
    Torak trat mit entschlossen geballten Fäusten vor ihn hin. »Ich muss mit dir sprechen.«
    »Sprich!«, erwiderte Fin-Kedinn, ohne aufzublicken.
    Torak schluckte. »Die Seelenesser… Von ihnen kommt die Krankheit. Ich bin ausersehen, sie zu bekämpfen, und will meiner Bestimmung folgen.«
    Fin-Kedinn betrachtete gedankenvoll einen faustgroßen, runden braunen Stein, eine Meerknolle, die man im Wald nur selten fand. Die Raben verwendeten für die Waffenherstellung vorwiegend Schiefer, Horn und Knochen, denn Feuersteine wie solche Meerknollen gab es nur an der Küste, wo man sie bei den Meerclans gegen Geweihe und Fischhäute eintauschen konnte.
    Torak unternahm noch einen Versuch. »Ich muss sie aufhalten. Damit es aufhört!«
    »Und wie willst du das anstellen?«, gab Fin-Kedinn zurück. »Du weißt ja nicht einmal, wo sie sich versteckt halten, keiner weiß das.« Er beklopfte die Meerknolle prüfend mit dem Schlagstein, um zu hören, ob der Feuerstein irgendwelche Sprünge hatte.
    Torak zuckte zusammen. Das Klack! Klack! weckte schmerzliche Erinnerungen. Er sah vor sich, wie Fa am Feuer saß und Feuersteine bearbeitete. Damals hatte er sich so geborgen gefühlt… Wie man sich irren konnte!
    »Renn hat mir erzählt, dass es früher ähnlich schreckliche Krankheiten gegeben hat… und auch Mittel dagegen. Da könnte es doch sein…«
    »Eben das habe ich die ganze Nacht herauszufinden versucht«, erwiderte Fin-Kedinn. »Es heißt, ein Schamane im Großen Wald wüsste einen Heiltrank.«
    »Wer ist es?« Torak war ganz aufgeregt. »Wir müssen uns den Trank beschaffen!«
    Fin-Kedinn versetzte der Meerknolle einen kräftigen Schlag und spaltete sie säuberlich in zwei Hälften. Auf der Innenseite war der Feuerstein kräftig honigfarben mit roten Adern. »Nicht so hastig«, tadelte der Ältere. »So etwas will gut überlegt sein. Ungeduld kann tödlich enden.«
    Torak warf sich auf die Uferböschung und rupfte Grashalme aus.
    Fin-Kedinn griff nach einem kleinen Hornwerkzeug und bearbeitete damit die Meerknolle. Je nachdem wie fest er zuschlug, sprangen größere oder kleinere Splitter ab. Klack! Klack! tönte der Schlagstein und mahnte Torak zur Geduld.
    Erst nach einer ganzen Weile sprach der Anführer weiter. »Heute Nacht ist ein Kanu mit einer Frau vom Otterclan eingetroffen. Zwei Mitglieder ihrer Sippe sind erkrankt.«
    Torak lief es kalt den Rücken herunter. Der Otterclan lebte weit weg im Norden, am Ufer des Axtkopfsees. »Das heißt, die Krankheit hat sich schon überall ausgebreitet! Ich muss in den Großen Wald. Wenn es irgendeine Hoffnung gibt…«
    Fin-Kedinn seufzte.
    Torak ließ sich nicht beirren. »Wen willst du sonst losschicken? Du selbst bist hier unentbehrlich, Saeunn ist zu alt für solche Unternehmungen und alle anderen müssen die Kranken bewachen, jagen und Lachse fangen.«
    Fin-Kedinn nahm einen daumenlangen Hornmeißel und schärfte mit geschickten Schleifbewegungen einen großen Steinsplitter. »Die Clans im Großen Wald wollen mit uns nichts zu tun haben. Wie kommst du darauf, dass sie uns helfen würden?«
    »Darum bin ich ja derjenige, der gehen muss! Meine Mutter gehörte zum Rotwildclan. Ich bin mit ihnen verwandt, mich hören sie bestimmt an!« Allerdings hatte Torak seine Mutter
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