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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)
Autoren: Michelle Paver
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wie die Sonne im Meer versank. Der Wind hatte sich zurückgezogen, der Eisfluss schlief. Es blieb den ganzen Nachmittag ruhig. Torak sah am weiten weißen Himmel einen einsamen Raben fliegen und ihn überkam auf einmal überwältigende Sehnsucht nach dem Wald.
    Als er zu Renn hinüberblinzelte, sah er, dass es ihr genauso ging.
    »Wir haben nichts mehr zu essen, keinen Speck und kein Boot«, sagte sie. »Wie im Namen des Geistes sollen wir da wieder nach Hause gelangen?«

    So fanden Fin-Kedinn und Inuktiluk die beiden vor, als sie mit ihren Booten von Süden angerudert kamen. Torak und Renn hockten aneinandergeschmiegt da, Wolf stand daneben und wachte über sie.

Kapitel 40

    ERST WAR RENN vor Verblüffung wie gelähmt gewesen, dann war sie ihrem Onkel schluchzend um den Hals gefallen. Fin-Kedinn hatte sie umarmt und sie hatte seinen Geruch nach Rentierfell und Wald tief eingeatmet.
    Fin-Kedinn erzählte, wie er sich vom Seeadlerclan ein Boot geborgt hatte und die Rinne zwischen der Küste und den Schären entlanggerudert war, bis er zum Lager der Eisfüchse kam, seiner alten Freunde.
    »Und wo ist die übrige Sippe?« Renn wischte sich mit dem Ärmel die Nase.
    »Im Wald.«
    »Im Wald? Dann bist du …«
    »Ja. Ich bin allein gekommen. Ich fand, ihr braucht mich dringender.«
    Renn lag in einem Schlafsack aus herrlich warmem Rentierwinterfell in Finn-Kedinns Boot, Torak hatte sich in Inuktiluks Boot gelegt und Wolf lief auf dem Eis nebenher.
    Nach einer Weile wandte sich Renn an Fin-Kedinns Rücken: »Ganz verstehe ich es immer noch nicht. Die Seelenesser … Torak meinte, sie wollen, dass alle Clans gleich sind. Aber das sind wir doch schon! Wir leben alle nach den gleichen Gesetzen.«
    Fin-Kedinn blickte über die Schulter. »Ach ja? Dann erzähl doch mal. Du warst doch im Hohen Norden, was hast du dort gegessen? Robbenfleisch?«
    Renn nickte.
    »Und was fressen Robben?«
    Renn stutzte. »Fische! Es sind Jäger. Daran habe ich gar nicht gedacht.«
    Fin-Kedinn wich einer schwarzen Eisscholle aus. »Die Clans im Hohen Norden machen es wie die Eisbären. Sie sind darauf angewiesen, sonst könnten sie hier nicht leben. Für manche Meerclans gilt dasselbe. Im Wald verhält es sich wieder anders. Das wollen die Seelenesser ändern.«
    Renn überlegte. »Sie haben Torak erzählt, sie verträten den Weltgeist, aber…«
    »Niemand vertritt den Weltgeist«, erwiderte Fin-Kedinn.
    Danach sagten sie lange nichts mehr.
    Es war ein trüber Tag, die Wolken waren schwer von Schnee. Möwen kreisten über ihren Köpfen, ein Fuchs kam übers Eis getrabt, witterte Wolf und lief davon. Renn sah zu, wie Fin-Kedinn das Paddel eintauchte, und wurde schläfrig.
    Die Geisterbienen waren wieder da. Renn streckte die Hand nach ihnen aus und lachte, wenn sie ihre Finger streiften. Dann waren die Bienen auf einmal verschwunden, sie stand ganz allein im Dunkeln auf einem hohen Berg und drei rot funkelnde Augen drangen auf sie ein …
    Sie schrie auf.
    »Wach auf, Renn«, sagte Fin-Kedinn freundlich.
    Sie blinzelte ins Tageslicht. »Ich habe geträumt.«
    Der Rabenanführer hielt das Boot auf Kurs, indem er das Paddel in eine Schlinge steckte, und drehte sich zu ihr um. »Die Seelenesser«, sagte er leise. »Du bist ihnen sehr nahe gekommen, nicht wahr?«
    »Vorher waren es bloß irgendwelche Schattengestalten, aber jetzt habe ich sie gesehen. Thiazzi… Eostra.« Sie stockte. »Die Fledermausschamanin … und Seshru.«
    Sie wechselten einen Blick, dann entgegnete Fin-Kedinn: »Wenn wir wieder im Wald sind, erzählst du mir alles. Nicht hier.«
    Renn beruhigte sich und nickte. Eigentlich war sie noch gar nicht so weit, darüber sprechen zu können. Sie scheute vor der Erinnerung zurück.
    Fin-Kedinn griff wieder zum Paddel und ruderte weiter.
    Inuktiluk lenkte sein Boot neben sie. Torak saß hinter ihm, und Renn versuchte, seinen Blick zu erhaschen, aber er beachtete sie nicht. Mit dem kurzen Schopf und den Stirnfransen sah er beunruhigend fremd aus.
    Seit dem großen Kampf mit den Seelenessern war er ausgesprochen verschlossen. Anfangs dachte Renn, es läge an dem, was er tief im Berg mit angesehen hatte. Inzwischen ahnte sie, dass es noch einen anderen Grund gab. Dass er ihr etwas verschwieg.
    Schließlich fragte sie ihren Onkel: »Es ist noch nicht vorbei, stimmt’s?«
    Der Rabenanführer drehte sich wieder nach ihr um. »Es ist nie vorbei.«

    Wolf machte sich Sorgen, weil sich Groß Schwanzlos Sorgen machte. Darum fasste er den
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