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Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition)

Titel: Chronik der dunklen Wälder - Seelenesser: Band 3 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Paver
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Torak. Als er die Augen wieder schloss, sah er wirre Bilder. Die Fledermausschamanin, wie sie vor der Kluft stand. Der Eichenschamane, wie er vor ihm kauerte – vor ihm, dem Bären, der über den Mann herfallen will …
    »Die Seelenesser sind weg«, sagte Renn. »Sie sind zu ihren Booten gerannt und geflohen. Glaube ich jedenfalls.« Sie erzählte, wie sie sich rasch in Sicherheit gebracht hatte, als die Klippe einstürzte, und dass die Natternschamanin und der Eichenschamane, als sich die Schneewolken gelegt hatten, verschwunden waren. Ebenso die Eulenschamanin und die weißen Wölfe.
    Torak öffnete die Augen. »Wo ist Wolf?«
    »Hier ganz in der Nähe.« Renn zupfte an ihrem Fellhandschuh herum. »Er hat mir geholfen, dich zu suchen. Ich konnte vor lauter Schnee nichts sehen. Dann habe ich ihn heulen gehört. Es war schrecklich. Ich dachte schon, er trauert um dich.«
    »Tut mir leid«, brummelte Torak.
    »Die Natternschamanin…«, fuhr Renn stockend fort. »Sie weiß, dass du ein Seelenwanderer bist.«
    »Ja.«
    »Dann wissen es die anderen Seelenesser jetzt auch.«
    »Ja.«
    Renn erschauerte. »Was hat die Fledermausschamanin mit ›Die Schuld ist gesühnt‹ gemeint?«
    Torak berichtete, dass sein Vater Nef einst davon abgehalten hatte, sich selbst zu töten.
    »Ach so.« Renn legte ihm etwas Schweres in die Hand. »Hier. Für dich.«
    Es war Fas blaues Schiefermesser.
    »Sie muss es mir in den Gürtel gesteckt haben, als sie mich weggestoßen hat«, erklärte Renn. »Ich habe es erst hinterher entdeckt.«
    Torak fasste nach dem Knauf. »Nef war nicht durch und durch böse«, sagte er leise.
    Renn war empört. »Sie war doch eine Seelenesserin!«
    »Aber sie wollte ihre Schandtaten wiedergutmachen.«
    Torak dachte an die Seelen der Fledermausschamanin, die nun bei den Dämonen im schwarzen Eis gefangen waren. Dabei fiel ihm der kleine, dunkle Schemen ein, der kurz vor Nefs Sprung von ihrer Schulter aufgeflattert war. Die Schamanin hatte ihre geliebte Fledermaus fortgeschickt, damit sie nicht mit ihrer Herrin zugrunde gehen musste.
    »Das warst du, stimmt’s?« Renn senkte die Stimme. »Der Eisbär. Du bist in den Bären übergewechselt.«
    Torak sah sie nur stumm an.
    »Es hätte genauso gut sein können, dass du nicht mehr herausfindest! Du hättest feststecken können!«
    Torak stützte sich ächzend auf den Ellbogen. »Mir blieb nichts anderes übrig.«
    »Aber …«
    »Du warst diejenige, die alles aufs Spiel gesetzt hat, die bereit war, ihr Leben zu opfern, um den Feueropal zu begraben. Das war unglaublich tapfer … ich hätte mich das bestimmt nicht getraut.«
    Renn machte ein finsteres Gesicht und zupfte noch mehr Fellbüschel aus ihrem Fäustling. Dann zuckte sie die Achseln. »Mir blieb eben nichts anderes übrig.«
    Beide schwiegen. Renn rieb sich mit einer Handvoll Schnee das Todeszeichen von der Stirn. Anschließend machte sie sich daran, die Wunden an Toraks Handgelenken zu säubern.
    »Und wenn kein Bär vorbeigekommen wäre?«, fragte sie. »Was hättest du dann getan?«
    »Dann wäre ich in Thiazzi übergewechselt«, erwiderte Torak ohne Zögern. »Oder in Seshru. Ich hätte nie zugelassen, dass du stirbst.«
    Sie blinzelte. »Du hast mir das Leben gerettet. Denn sonst…«
    »Wolf hat uns beide gerettet«, widersprach Torak. »Er hat die Dämonen aufgespürt und gejagt. Er hat mich davor bewahrt, Thiazzi umzubringen. Er hat uns alle gerettet.«
    Da kam wie auf Zuruf Wolf angesprungen, rutschte aus, fing sich mit einem kräftigen Schlag des Schwanzes wieder und machte schlitternd vor ihnen Halt, wobei er sie mit Schnee besprühte. Dann stürzte er sich auf Torak und schleckte ihm gründlich das Gesicht ab.
    Auf einmal hätte Torak am liebsten das Gesicht in Wolfs Nackenfell vergraben und hemmungslos geweint, um die Fledermausschamanin, um sich selbst und irgendwie auch um seinen Vater.
    »Hier!« Renn hielt ihm ein Stück Fleisch hin.
    Torak nahm es schniefend entgegen und wollte sich aufsetzen, zuckte aber zusammen, weil seine Brust scheußlich wehtat.
    »Bist du verletzt?«, fragte Renn.
    »Nein, ich bin bloß hingefallen. Hab mir die Rippen geprellt.«
    »Soll ich mal nachsehen?«
    »Nicht nötig«, wehrte Torak ab. »Es geht schon wieder.«
    Renn sah ihn verdutzt an, aber dann zuckte sie die Achseln und ging dem Clanhüter seinen Anteil bringen. Als sie wiederkam, gab sie auch Wolf ein Stück Fleisch und behielt sich selbst das letzte Stück vor.
    Sie aßen schweigend und sahen zu,

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