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Choral des Todes

Titel: Choral des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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sich um eine Fassung des Wagner’schen Werks für Kinderstimmen handelte. Das war zweifellos der Chor der Kolonie Asunción, der irgendwo in einem Nebenzimmer sang. Es sei denn, es handelte sich um eine Aufzeichnung. Die Musik kam ihm sehr nahe vor. Plötzlich erinnerte er sich an den Bericht von Peter Hansen, dem Mann, dem man mit musikalischer Untermalung die Ohren abgeschnitten hatte.
    Wie um die schlimmsten Befürchtungen zu bestätigen, wisperte ihm der Deutsche ins Ohr:
    »Mein Vater war ein bedeutender Forscher. Er hat viel in Buchenwald und später in Sachsenhausen gearbeitet. Er befasste sich mit dem Selbsterhaltungstrieb. Den tiefen Kräften im Menschen, mit denen er sich ans Leben klammert. Er entnahm seinen Probanden ein Organ nach dem anderen und führte Zeitmessungen durch. Es ist erstaunlich, dass Menschen, die vollkommen ausgeweidet worden sind, weiterleben und sich schreiend ans Bewusstsein klammern …«
    Volokine spürte, wie ihm Schweiß aufs Gesicht trat.
    Eine andere Stimme, gedämpft von der OP -Maske:
    »Kommst du spielen?«
    »Sofort.«
    Der Verrückte deutete mit seinem Skalpell auf den runden Tisch:
    »Du weißt, dass wir um dich spielen? Du ahnst es, oder?«
    Die heisere Stimme des alten Mannes vereinigte sich mit dem Gesang des Knabenchors. Es sind Stimmen ohne Schwere. Engelsstimmen. Geisterstimmen.
    »Ich muss gehen. Sonst schummeln meine Kameraden. Ich kenne sie. Aber vertrau mir, ich weiß, wie ich sie besiege …«
    Er verschwand. Volokine war darüber kurz erleichtert. Dann schossen ihm wieder Bruchstücke der Aussage Hansens durch den Kopf und versetzten ihn in Panik. Männer, die sich einen Spaß daraus gemacht hatten, Organe zu entnehmen und den Schweden anschließend raten zu lassen, was sie aus seinem Körper herausgeschnitten hatten. Würden sie mit ihm das Gleiche anstellen? Oder würden sie, nacheinander, sämtliche Organe entnehmen, um zu messen, wie lange es dauerte, bis der Tod eintrat?
    »Wir spielen Poker«, rief ihm der Alte zu. »Texas Hold’em. Nicht besonders originell. Neu ist die Art unserer Einsätze …«
    Volokine glaubte hinter den Masken gedämpftes Gelächter zu hören.
    »Weißt du, was wir setzen? Deine Organe, mein Kleiner. Wir haben bereits um deine Leber, deine Augen und deine Genitalien gespielt. Du bist unser Jackpot. Und ich muss dir sagen, dass du heute Abend jedenfalls nicht gewinnen wirst. Was wir gewinnen, ist das Vergnügen, unsere Gewinne deinem Körper zu entnehmen.«
    Volokine versuchte nicht hinzuhören. Die unheilvollen Erläuterungen des Wahnsinnigen. Die ätherischen Stimmen der kleinen Teufel. Sie haben mir eine Periduralanästhesie oder eine ähnliche Injektion verabreicht, und ich werde nichts spüren . Ich werde nicht leiden … Dieser beruhigende Gedanke wich sogleich seinem Gegenteil. Der Vorstellung, dass man ihn wie einen Hasen ausweiden würde. Seine Hoden in eine Schüssel aus rostfreiem Stahl gelegt. Seine Augen in ein Glas geworfen. Er würde nichts spüren. Er würde nur diese beschissenen Stimmen Wagner singen hören. Er wollte schreien, aber die Furcht schnürte ihm noch immer die Kehle zu.
    »Ich will sehen.«
    »Ich geh schlafen.«
    Karten wurden knallend auf den Tisch geworfen. Dann Stille. Zumindest am Spieltisch. Denn die Stimmen fuhren fort:
    »Der Gnade Heil ist dem Büßer beschieden,
    Er geht einst ein in der Seligen Frieden …«
    In diesem Moment hatte Volokine ein Aha-Erlebnis. Er hatte diese Strophen selbst gesungen. Damals, während seiner zweijährigen Initiation. In seiner panischen Angst erinnerte er sich an die Bedeutung dieser Worte.
    Würde ihm selbst auch die Gnade zuteilwerden?
    Würde er eines Tages in der Seligen Frieden eingehen?
    Die Gedanken lösten sich in seinem Gehirn auf. Schweißperlen rannen über seinen nackten Körper. Es schien ihm, als würde er Rinnsale, Flüsse, Ströme ausschwitzen. Er schien sich in seiner eigenen Haut aufzulösen. In einem Albtraum unterzugehen. Er würde aufwachen. Oder Kasdan würde auftauchen. Oder …
    Wieder quietschten Stühle.
    »Hans, du hast heute Abend wirklich Glück …«
    »Unser Freund hat mir Glück gebracht.«
    Schritte, die näher kamen.
    Das zerfurchte Gesicht unter der OP -Haube:
    »Meine Kameraden haben heute Abend ganz schön verloren. Ich habe viel Arbeit.«
    Er zog an einem Tuch, das an einem Gestänge über dem OP -Tisch hing.
    Als der weiße Vorhang sein Gesichtsfeld ausfüllte, schrie Volokine auf.
    Diesmal war sein Kehlkopf nicht

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