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Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)

Titel: Chiara Fontana - Das Möbiusband (German Edition)
Autoren: Peter Bergmann
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Shorts, braungebrannt, und mit coolen, heißen Nikes an den bloßen Füßen, weil der steinige Rilke-Pfad ober den Klippen von Duino kein gewöhnlicher Spazierweg war.
    Genau diesen Rilke-Pfad schlugen sie ein. Rechts ein Maschendrahtzaun, der einen Campingplatz begrenzte, links ein schlichtes Holzgeländer, dahinter einige Dutzend Meter über fast senkrechte Felsen in die Tiefe. Der Mond beleuchtete den Weg, der sich hell abhob zwischen dem dunkleren Gestein und der Wiese hinter dem Zaun. Kleine Bäumchen und Büsche warfen Mondschatten, auf dem dunklen Meer weit unten verteilte sich sein Schimmer und sein Glanz. Chiara atmete den Duft. Die Sonne hatte ihn ehemals verbrannt. In dieser kühlen Nacht war er würzig und intensiv.
    Vanetti hielt sich nahe am Zaun, den Blick knapp vor seine Füße gerichtet. Höhenangst überwindet man nicht, indem man Gangster mit einem Bleirohr streichelt.
    Chiara trug den A-Grav wieder in ihrer Umhängetasche. Mit ihrer rechten Hand berührte sie ihn. Er strahlte aus sich heraus in sanften Mondfarben. Diesmal wie ein Wolkenhimmel, ganz ohne kubistische Motive.
    Sie folgten dem Pfad bis die Umzäunung des Platzes endete. Das schmale Vorhängeschloss am Tor widerstand Donahues Fertigkeit nur für Sekunden. Ein kleines Haus stand da im Eck des Platzes. Eine kleine Veranda, eine Scheibe vor einer kleinen Bar. In der Bar elektrische Heizstrahler, die sie auf volle Leistung schalteten. Sie begnügten sich mit dem Licht des Mondes und dem rötlichen Schimmer der erhitzten Drahtspiralen. Vanetti gähnte.
    „Wann stehlen wir die Boote?“
    „Morgen“, sagte Mike. „Du kannst es kaum erwarten. Hast dich ziemlich verändert.“
    „Wir haben uns alle verändert“, warf Chiara ein.
    Donahue stand mit dem Rücken zu ihnen hinter der Theke und musterte die Flaschen im Regal.
    „Wollt ihr einen Whiskey? Pure Malt, wenn drinnen ist, was drauf steht.“
    Sie murmelten Zustimmung und er schenkte drei Gläser halbvoll. Chiara hatte zwei Sessel vor einen der Heizstrahler gezogen, sich auf einen davon gesetzt und ihre Füße auf den anderen gelegt. Mike reichte ihr ein Glas.
    „Du hast dich nicht verändert. Du glaubst es nur.“
    „Wie meinst du das?“
    „Du warst immer stark.“
    Er drückte auch Vanetti ein Glas in die Hand.
    „Du hast dich verändert. Aber du musst dran bleiben, sonst löst es sich wieder auf.“
    „Sagt der Mann, der mein Lieblingsauto in die Luft gejagt hat.“
    „Salute!“
    Sie hoben die Gläser und tranken. Dann hingen sie ihren Gedanken nach und dösten vor sich hin. Als Chiara die Augen aufschlug, war es kurz nach vier Uhr morgens. Vanetti hatte ein paar Sessel zusammen geschoben und sich damit ein Lager bereitet. Mike hatte sich einfach auf die Theke gelegt. Der CX brummte leise. Donahue blickte aufs Display und glitt geschmeidig von seinem Podest, als hätte er dort die gemütlichsten Stunden seines Lebens verbracht. Er merkte, dass Chiara ihn beobachtete, machte die Geste des Telefonierens und verschwand aus der Bar. Wer ihn um diese Zeit anrufen mochte? Vanetti atmete tief und entspannt. Sie nutzte die Gelegenheit und wusch sich an der kleinen Spüle hinter der Theke. Noch nie hatte sie sich so sehr nach ihrer altmodischen Wanne im steinernen Nest gesehnt wie in diesem Moment.
    Mike brauchte lange. Erst mit Anbruch der Morgendämmerung kehrte er zurück. Die Nacht hatte noch Oberhand, aber ihre Schwärze wich bereits dem düsteren Dunkelgrau, das neue Tage in ihrer frühesten Phase nicht wirklich sympathisch erscheinen lässt. Die Stunde der Jäger und Lauerer. Die Stunde der bösesten Gedanken und Träume.
    Irgendwie fand Chiara auch Mikes Gesichtsausdruck verschlossener als vorhin. Er hatte sich verändert. Der A-Grav, der wie selbstverständlich auf ihrem Schoß lag, zeigte nur einige winzige, tiefrote Fenster. Unwillkürlich schlossen sich ihre Hände um seine Griffe. Im selben Augenblick vervielfachten sich die roten Lichter.
    „Beeindruckend“, sagte Donahue. „Darf ich ihn einmal haben?“
    Er streckte seine Hand aus und erstmals sah Chiara den Ring. Er trug einen massiven Silberring mit einer seltsamen Schleife darauf. Einer in sich gedrehten Schleife, einem Möbiusband.
    „Lynx“, sagte sie.
    Sie sagte es, ohne es zu wollen, wie direkt aus ihrem Traum heraus.
    „Lynx.“

89___
    Die Wirkung war verblüffend. Donahues Augen glommen auf und wechselten ihre Farbe. Das Blau des Gletschersees wurde zu einer bernsteinfarbenen Glut, gesprenkelt mit
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