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Cheng

Cheng

Titel: Cheng
Autoren: Heinrich Steinfest
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Kunstdrucke an der Wand, Dali, Magritte, Defregger, ausgebleicht. Alte Möbel, Zigarettenqualm. Aber nicht unordentlich, keine vollen Aschenbecher, keine angebissenen Hamburger, ein sauberer Teppichboden. Cheng bot Ran einen Stuhl, eine Zigarette und eine Tasse Kaffee an.
    »Nun, Ran, was kann ich für Sie tun?«
    Im Prinzip erzählte Ran die Geschichte so, wie sie sich zugetragen hatte. Verzichtete bloß auf unnötige Details, die zur Klärung ohnehin nicht beitrugen, so z. B., wie er sich in seinem Bett vergraben hatte.
    »Vielleicht ist das alles bloß ein dummer Scherz«, meinte Ran, »und ich glaube ja nicht wirklich, daß mein Leben in Gefahr ist, das wäre doch zu lächerlich. Andererseits – mein Job ist sehr wohl in Gefahr. Ich will einfach wissen, wer mir da ins Leben pfuscht. Ich will rechtzeitig dagegen etwas unternehmen, die Folgen sind schon jetzt unangenehm genug. Immerhin habe ich Barbara verloren. Gut – das wäre vielleicht ohnehin passiert. Aber vor allem die Sache mit Edlingers Frau bereitet mir Kopfzerbrechen. Sie verstehen mich doch. Oder finden Sie, ich übertreibe?«
    Cheng war sich nicht sicher, was er finden sollte. Auf jeden Fall brauchte er einen Auftrag, und Ranulph Field schien ihm nicht der schlechteste Auftraggeber zu sein. Großartig verdienen würde er an der Sache freilich kaum.
    »Und Ihnen fällt niemand ein, der einen guten Grund hätte, Ihnen das Leben ungemütlich zu machen?«
    »Ungemütlich?! Die Sache ist mehr als ungemütlich. Aber es fällt mir trotzdem niemand ein. Hören Sie, Cheng, ich bin ein stinknormaler Kerl, absoluter Durchschnitt, keine abenteuerlichen Spekulationen, keine kostspieligen Exzesse, keine Frauen, die ich schwanger zurückgelassen hätte.«
    »Das kann man nicht wissen. Da soll es mitunter Überraschungen geben.«
    »Nicht bei mir. Wahrscheinlich ist die ganze Sache ein Mißverständnis.«
    »Soll es auch geben.«
    »Ist das alles, was Sie dazu zu sagen haben?« So hatte sich Ran einen Detektiv nicht vorgestellt. Für sein Geld, von dem freilich noch nicht einmal die Rede gewesen war, wollte er etwas … nun, etwas Hilfreiches. Keine Allgemeinplätze, die es schließlich überall umsonst gab. Cheng spürte das aufkeimende Mißtrauen, weshalb er guten Willen demonstrierte.
    »Könnte ich den Zettel sehen, den Sie im Badezimmer gefunden haben?«
    Ran zog das Papier aus der Brusttasche und reichte es Cheng, der es einige Zeit betrachtete, dann ins Nebenzimmer ging, um wieder mit einem großformatigen, roten Buch herauszukommen, bei dem es sich unverkennbar um den Österreichischen Atlas für Höhere Schulen aus den siebziger Jahren handelte, den noch heute die Wißbegierigen unter den Dreißig- bis Vierzigjährigen aufschlugen, um nach der Buchung ihres Urlaubs mal nachzusehen, wo denn eigentlich diese Balearen liegen.
    Cheng blätterte herum, ziellos, was er zu verbergen suchte. Außerdem konnte ja auch irgendein Heiliger gemeint sein, oder es handelte sich überhaupt um eine Phantasiebezeichnung.
    Er griff zum Telefon und rief Berti an. Berti war einer von diesen brillanten Sonderschulabgängern. Auf Sonderschulen wird noch immer die beste Allgemeinbildung vermittelt, ganz einfach weil in den Sonderschulen die besten Lehrer landen, Typen, die nicht so krank und abartig sind, daß sie ihre Frustration dadurch kompensieren, ihre Schüler wie Eier anzustechen, um ihnen das bißchen menschliche Intelligenz aus dem Schädel zu blasen.
    Psychisch halbwegs intakte Lehrkörper haben natürlich in einer normalen Schule nichts verloren, genausowenig in einer von diesen Alternativschulen, die eine Elite formen, die darauf stolz ist, ihre Putzfrauen nicht in den Hintern zu treten (sondern sanft zu maßregeln – ach , Radmilaschatz , Dummerchen , wie oft soll ich noch sagen , daß wir ausschließlich Diätmargarine verwenden) .
    Die gescheitesten Leute kommen aus den Sonderschulen. Die nicht sonderschulgebildete Intelligenz ist immer eine Intelligenz hirnloser und selbstredend rücksichtsloser Anpassung; um so angepaßter einer ist, als desto intelligenter wird er empfunden – selbst das radikalste Denken ist zumeist ein zutiefst angepaßtes, das radikale Denken zählt zu den exklusiven Formen der Anpassung, der radikale Denker ist sozusagen ein Anpassungsdandy, der es sich in den vom System zur Verfügung gestellten radikalen Denknischen gemütlich gemacht hat und wie kein anderer im Rahmen der Vorgaben zu denken pflegt. Und so besteht der Sinn eines radikalen
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