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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition)
Autoren: Christiane Güth
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waren leer. Ich ging weiter bis zum Hauseingang.
    »Edith?«, rief ich aufgeregt, als ich durch die offene Tür eintrat. Wirre Bilder tauchten vor meinen Augen auf, und ich wollte mir gar nicht vorstellen, was kommen konnte.
    Statt einer Antwort heulte der Wind durch die Räume und trieb einen löchrigen Eimer durch die Zimmer. Mein Herz schlug schneller, und ich begann, im Eiltempo durch die Zimmer zu laufen. Das Haus war leer und verlassen.
    Einerseits beruhigte es mich, Edith hier nicht zu finden, andererseits wuchs meine Angst, nicht rechtzeitig bei ihr sein zu können – wo immer sie war.
    In der Pension Ingetraut ging es fröhlich zu. Florence und ihre Freundin hatten sich viel zu erzählen. Die vermisste Edith kümmerte sie wenig. Ich stürmte in die kleine Wohnküche und unterbrach die beiden Quasselstrippen.
    Ingetraut hörte geduldig zu.
    »Bring doch erst mal die Tasche auf dein Zimmer. Nach dem Essen starte ich einen Rundruf. Wir werden Edith schon finden. Bei dem herrlichen Wetter heute wird sie sich bestimmt nicht umbringen. Sie macht wahrscheinlich einen ausgedehnten Strandspaziergang und kommt wieder auf andere Gedanken.«
    Wie war Ingetraut denn drauf? Die Gelassenheit auf der Insel steckte allenfalls Florence an. Mich machte sie rappelig, und ich rief Rahel an. Meine clevere Assistentin traf gerade die Vorbereitungen, um später das Interview mit Yvonne Strowe aufzunehmen.
    »Hat Alan sich gemeldet?«
    »Falsche Frage«, gab ich knapp zurück. Bei dem Gedanken an ihn wurde mir automatisch heiß. Trotzdem war ich angefressen und wünschte mir, er hätte seinen süßen Po auf sein schnelles Rad geschwungen und wäre mir bei der Suche behilflich, statt sich aus dem Staub zu machen.
    Nach Matjes mit Salzkartoffeln ging es mir besser. Zu der Tischrunde hatte sich auch Ingetrauts Mann Onno gesellt. Er war ein echter Insulaner. Mit knapp zwei Metern Körpergröße, seinem graumelierten Vollbart und dem Umfang einer Wattboje bediente er mühelos jedes Seemannsklischee. Ich mochte ihn gleich. Da er sein gesamtes Leben auf der Insel verbracht hatte, kannte er jedes Fleckchen.
    »Was passiert mit der Kapitänsvilla?«, wollte ich von ihm wissen.
    »Die wird abgerissen, morgen geht es los.«
    »Und dann?«
    »Kommen die Golfspieler. Das Grundstück gehört der Gemeinde. Als Erstes wird alles planiert. Dann ein Golfplatz angelegt. Ist eine ideale Ecke in den Dünen.«
    Florence begann mit Onno sogleich eine Grundsatzdiskussion über die Notwendigkeit und Ästhetik von Golfplätzen. Ihrer Meinung nach wurden die Rasenflächen zu steril angelegt. Blühende Blumenwiesen im Sinne floraler Flächengestaltung seien eine Alternative. Mit einem Augenzwinkern versprach Onno, ihren Vorschlag bei der nächsten Gemeinderatssitzung vorzubringen.
    Ich hatte keine Lust, ihrem Disput zur Planung der ostfriesischen Kulturlandschaft zu folgen, und dachte darüber nach, warum Edith auf die Insel gefahren war.
    Edith als Geliebte des alten Bellersen? Auch wenn ich Schwierigkeiten hatte, mir dieses ungleiche Paar vorzustellen, versuchte ich, die Zeit zurückzurechnen. Als Benno starb, musste Edith um die dreißig gewesen sein.
    Sie himmelte ihn an, doch bei seinem Aussehen hatte ich eher eine Vaterrolle als die eines feurigen Geliebten vor Augen. Warum behauptete Edith, er sei ihr Mann gewesen?
    Vielleicht litt sie unter Wahnvorstellungen. Wollte sie hier – in der Erinnerung an ihre große Liebe – sterben? Wenn sie ausgerechnet auf Wangerooge ihrem Leben ein Ende setzte, dann musste der Ort eine Bedeutung für sie haben.
    Nach dem Essen begann Onno, mit Nachbarn und Freunden zu telefonieren. Einige hatten Edith im Ort gesehen, andere wussten nicht, wer gemeint war. Doch niemand wusste, wo sie wohnte.
    Ich verabredete mich mit Florence für den nächsten Tag zum Frühstück und stapfte traurig auf mein Zimmer. Die anderen gönnten sich noch einen kräftigen Gute-Nacht-Grog und gingen dann schlafen.

Weltschmerz
    Um kurz vor elf hielt ich es nicht mehr aus. Ich zog mich an und verließ die Pension.
    Der Wind war stärker geworden und wehte die salzige Luft durch die Straßen. Vielleicht begegnete ich Edith zufällig bei einem abendlichen Spaziergang. Ich konnte doch nicht untätig in meiner Inselkoje liegen. Die Kapuze über den Kopf gezogen, lief ich kreuz und quer durch den Ort. Nur in der kleinen Fußgängerzone und auf der Strandpromenade flanierten einige späte Inselbesucher. Ich ging noch einmal Richtung Kapitänsvilla.
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