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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition)
Autoren: Christiane Güth
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Archivmief des Verlagsdachbodens. Hinter dem Verkaufstresen stand ein Mann und plauderte mit einer Kundin. Ich schlenderte zwischen den Buchregalen hindurch und tat so, als suchte ich einen bestimmten Titel. Hoffentlich verschwand die geschwätzige Inselfrau bald.
    Nach einer gefühlten halben Stunde wurde es mir zu bunt, und ich drängelte mich neben sie.
    »Kripo Oldenburg«, log ich und zog das zerknüllte Foto hervor. »Kennen Sie diese Frau?«
    Ich fühlte mich wie eine Fernsehkommissarin, und fast hätte ich mich vollends mit dieser Rolle identifiziert – wäre da nicht meine Angst um Edith gewesen.
    Der verdutzte Buchhändler sah über seinen Brillenrand an mir hinab und wieder rauf und antwortete ruhig: »Ist die Frau eine Verwandte von Ihnen?«
    »Nein, eine Freundin«, gab ich zurück.
    »Die Nummer mit der Polizei ist nicht schlecht, aber Sie sollten noch etwas üben. Oder können Sie mir Ihren Dienstausweis zeigen?«
    Wieso hatte der gute Mann mich entlarvt? Ging ich etwa nicht als fesche Zivilbeamtin durch, oder lag es vielleicht an meiner improvisierten Antwort?
    »Ihre Freundin ist wirklich eine Granate. Als sie heute Vormittag im Laden war, wollte sie mir allen Ernstes weismachen, sie hätte alle Reiseführer geschrieben, die wir im Regal stehen haben.«
    Volltreffer, der Mann beschrieb eindeutig Edith – immerhin hatte sie am Vormittag noch gelebt.
    Ich wertete das als gutes Zeichen.
    »Entschuldigen Sie meinen Überfall, aber wenn es nicht wirklich wichtig wäre, würde ich mich bestimmt nicht vordrängeln.«
    Ich versuchte ein halbherziges Lächeln.
    »So sind die Gäste – immer die Wichtigsten«, warf mir die Kundin von der Seite zu. »Seltsame Leute erleben wir hier jedes Jahr, nicht wahr, Jasper? Tschüs dann.«
    Mit der Bild -Zeitung unter dem Arm verließ die Kundin das Geschäft.
    »Ihre Freundin bringt mich normalerweise jedes Mal zum Lachen. Aber heute ging es ihr nicht gut«, fuhr der Buchhändler fort.
    »Wieso jedes Mal?«, fragte ich entgeistert.
    »Ach, sie ist so herrlich verrückt. Jeden Sommer kommt sie hier rein und erzählt mir Schwänke aus ihrer Jugend. Und ich fürchte, einige entsprechen nicht der Wahrheit.«
    »Wie meinen Sie das – aus ihrer Jugend?«
    »Zum Beispiel, dass sie hier mit ihrem Mann, dem Verleger Benno Bellersen, unbeschwerte Urlaube verbrachte. Weiß doch jeder, dass der arme Kerl ein früher Witwer war. Wirklich realistisch erscheinen mir ihre Ausführungen nicht. Es ging damals nur das Gerücht um, Bellersen habe eine Geliebte.«
    Ach du Schande. Ich bat den Buchhändler, mir mehr zu erzählen. Er berichtete, dass Edith seit über zwanzig Jahren auf die Insel kam. Das hatte Edith nie erwähnt. Als wir über Wangerooge sprachen, tat sie immer unbeteiligt. Mich traf der Schlag.
    »Wissen Sie, wo meine Bekannte auf der Insel wohnt? Wir wollten uns heute früh treffen, haben uns aber verpasst.«
    Der Mann musste schließlich nicht wissen, was es mit meiner Suche auf sich hatte.
    »Das ist ja gerade das Merkwürdige. Bis letztes Jahr wohnte Ihre Freundin – wir nennen sie übrigens ›Püppi Bunt‹, weil sie immer so farbenfroh gekleidet ist – in der alten Kapitänsvilla. Aber die wird gerade abgerissen. Dort ist sie garantiert nicht. Entweder hat sie ein Zimmer oder eine Ferienwohnung angemietet. Ich bin jedenfalls froh, dass jemand da ist, der sich um sie kümmert. Ihre Bekannte machte keinen glücklichen Eindruck.«
    Ich bedankte mich bei dem hilfsbereiten Buchhändler, fragte ihn nach der Adresse der Kapitänsvilla und drückte ihm – in vollendeter Kripomanier – meine Handynummer in die Hand, für den Fall, dass Edith bei ihm auftauchte.
    Die alte Kapitänsvilla war ein abbruchreifes Gemäuer. Sie lag abseits des Dorfes hinter einem kleinen Wäldchen in den Dünen. Dachpfannen und Fenster fehlten bereits. An zwei Seitenwänden hingen zerrissene Planen, die im Wind flatterten. Ich konnte mir gut vorstellen, dass dieses Haus in seiner Blütezeit eine stattliche Residenz dargestellt hatte. Jetzt war es nichts als eine Ruine, umgeben von einem verwilderten Garten. Am Grundstücksrand standen zwei Bagger. Sie wirkten wie zwei jagende Löwinnen, die sich im Dickicht anpirschten – bereit zum tödlichen Angriff. Der Buchhändler hatte recht. Hier konnte die pingelige Edith nicht wohnen. Aber was wusste ich schon von ihr?
    Ich kletterte über eine kleine Mauer und schlich zwischen Büschen und Bäumen hindurch zu einem der kaputten Fenster. Die Zimmer
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