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Cheffe versenken (German Edition)

Cheffe versenken (German Edition)

Titel: Cheffe versenken (German Edition)
Autoren: Christiane Güth
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Gellert harmonierte hervorragend, bis meine Eltern eine Schnapsidee in die Tat umsetzten – vor genau acht Wochen.
    Ich weiß bis heute nicht, warum sie Tulgas Einladung annahmen. Tulga ist ein ehemaliger Arbeitskollege meines Vaters. Und kaum hatte er seinen gastfreundschaftlichen Lockruf in die Wildnis ausgestoßen, waren Mama und Papa auch schon weg. Ausgewandert. In die Mongolei.
    Von diesem Augenblick an verbrachten die beiden eine unbeschwerte Zeit in einer Nomadensiedlung drei Tagesritte entfernt von Ulan Bator, meine Schwester und mich ließen sie einfach in Gütersloh zurück.
    Nicht dass mir der Schock lange in den Gliedern saß. Schlimmer als die Abwesenheit meiner Eltern war das Fehlen ihrer monatlichen Überweisung. Auf den Einwand, dass auch die Sächsische Schweiz oder der Bayerische Wald prima Auswandererziele seien, reagierte Mama mit einem lapidaren »Das lass mal unsere Sorge sein«. Ohne zu zögern entledigten sich meine Eltern aller finanziellen Verpflichtungen gegenüber ihrer Tochter und zogen zu Dschingis Khans Erben.
    Als wäre das nicht schon ärgerlich genug, vollzog auch Betty urplötzlich einen Sinneswandel.
    Nach einem kleinlichen Streit über den unregelmäßigen Eingang meines Mietanteils drohte sie mir, mich aus der Wohnung zu werfen. Ich konnte es kaum glauben und schlug vor, ihre Hormonwerte auf erste Anzeichen der Wechseljahre überprüfen zu lassen. Warum war sie wegen der lausigen Miete auf einmal so pingelig?
    Als ich ihr erzählte, dass ich mich für den Sommer als Kellnerin im Dolcetta, der angesagtesten Eisdiele der Stadt, beworben hatte, setzte sie glatt noch einen drauf.
    Betty wollte statt einer lebenslustigen Schwester lieber eine »erwachsene« Mitbewohnerin, auf die sie sich verlassen konnte. Zum Beispiel ihre Kollegin Sybille, die gerade vor ihrem prügelnden Ehemann ins Frauenhaus geflohen war und boshaft auf mein Zimmer spekulierte. Betty und ich hatten schon früher wild über unser Zusammenleben diskutiert, aber so weit war meine große Schwester noch nie gegangen.

Wechsellook
    Um 6 Uhr 18 schlüpfte ich unter meiner Bettdecke hervor.
    Ich sprang unter die Dusche und suchte anschließend meine schönste Unterwäsche aus dem Schrank. Schritt eins war geschafft. Es folgte Schritt zwei: das passende Bürooutfit.
    »Bellersen mag es klassisch elegant«, hatte meine Freundin Edith Muns gemeint, und die musste es wissen.
    Doch woher sollte ich eine dieser zementgrauen Bürogrufti-Monturen nehmen? Vielleicht fand sich bei Betty etwas Passendes. Diese Woche hatte sie Frühdienst und war schon vor einer Stunde aus dem Haus gegangen. Ich schlich in ihr Schlafzimmer und öffnete den Kleiderschrank. Alles hing und lag fein säuberlich dort, wo es hingehörte. Das musste man ihr lassen, Betty hatte ein ordentliches Händchen. Obendrein waren ihre Blusen nach Farben sortiert. Freie Auswahl. Ich nahm die türkisfarbene, die ich immer schon gern gehabt hätte. Betty würde gar nicht mitbekommen, dass ich sie mir borgte.
    Ich huschte zurück ins Bad, schlüpfte in meine beste Jeans und begann mit dem Make-up. Als ich fertig war, versuchte ich, aus meinen langen naturblonden Haaren eine seriöse Frisur zu modellieren. Zuerst probierte ich es mit einem Zopf: zu kindlich. Dann offen: zu verwegen. Als ich fluchend vor die Badewanne trat, stand plötzlich Rahel neben mir.
    »Was willst du mit Mamas Bluse?«
    »Und was willst du jetzt schon im Bad?«, gab ich gereizt zurück.
    »Erstens: Ich muss pünktlich in der Schule sein, und zweitens: Die Bluse sieht bescheuert aus. Sie ist dir viel zu klein. Guck mal, da sieht man deinen Bauchnabel.«
    »Ich fahre gleich zu einem Vorstellungsgespräch, brauch halt was Schickes.«
    Rahel schüttelte den Kopf und kicherte.
    »Darf ich wenigstens deine Haare stylen?«, fragte sie. Ich war nicht sicher, ob sie sich über mich lustig machte oder einfach nur eine morgendliche Herausforderung suchte. Trotzdem sagte ich ja.
    Innerhalb von zehn Minuten hatte sie meine Haarmähne gebändigt, mit dem Glätteisen in Form gebracht und mit Haarspray fixiert. Die Ponysträhnen zierten mein Gesicht wie ein schräger Theatervorhang.
    »Keine unkontrollierten Bewegungen!«, ermahnte sie mich.
    »Passt schon. Ich muss in einen steifen Laden, da ist die Frisur genau richtig.«
    Wir frühstückten zusammen, und ich erzählte Rahel von meinem Termin.
    »Wie bist du so plötzlich zu einem Vorstellungsgespräch bei Bernold Bellersen gekommen?«
    »Das habe ich Edith zu
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