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Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Charlotte Und Die Geister Von Darkling

Titel: Charlotte Und Die Geister Von Darkling
Autoren: Michael Boccacino
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nicht untergekommen. Sehr unterschiedlich vom Temperament her, kann ich sagen, aber goldig alle beide. Ich würde nicht so weit gehen, sie Engelchen zu nennen, denn sie sind ja schließlich Kinder, aber sie haben das Herz am rechten Fleck. Ich nehme allerdings an, dass für Sie mehr ihr Verstand von Interesse ist, hm?«
    »Mein Hauptinteresse gilt ihrem Wohlergehen.«
    Nanny Prum nickte zustimmend und führte uns die große Treppe hinab, wobei sie bedacht darauf war, den Spalten im Holz und den Löchern in dem roten Stoff auszuweichen, der die Stufen bedeckte.
    »Sie sind Mr. Darrow schon begegnet?«
    »Ja, er scheint ein angenehmer Gentleman zu sein.«
    »Außerordentlich angenehm, und ein strammes Mannsbild, wenn ich das sagen darf. Aber seine verstorbene Frau, die Mutter der Buben, war auch sehr schön. Ein wundervolles Paar! Traurig, dass sie so jung von uns ging. Aber es ist müßig, darüber zu grübeln. Wir müssen den Kindern helfen, es zu vergessen .«
    »Nein, vergessen würde ich nicht sagen   …«
    Rückblickend weiß ich, dass das die erste und einzige Meinungsverschiedenheit zwischen uns war, und eine, in der ich mich bedauerlicherweise schließlich durchgesetzt habe. Ich würde nicht zulassen, dass die Kinder ihre verstorbene Mutter vergaßen. Oder ihre Nanny.
    Bei einem Gemälde, das eine nächtliche Landschaft mit einem Schloss in der Ferne zeigte, bogen wir ab. Nanny Prum deutete im Vorbeigehen darauf.
    »Mrs. Darrow hatte viel übrig für die schönen Künste: Malen, Singen, Bildhauerei und dergleichen. Ich muss allerdings sagen, dass sie einer ziemlich morbiden Ästhetik anhing.« Sie hielt am Ende des Ganges inne und trat in das Kinderzimmer.
    Die Kinder erwarteten uns. Paul, damals fast zwölf, war hager und blass und hatte das dunkle Haar seiner Mutter, deren Porträt in Mr. Darrows Arbeitszimmer hing, und tiefblaue Augen. Sein Bruder James war vier, ein kleiner blonder Junge mit einem fröhlichen Ausdruck auf seinem runden Grübchengesicht. Er hielt mir einen kleinen Wiesenblumenstrauß entgegen und verbeugte sich höflich, während sein älterer Bruder an der Wand lehnte.
    »Wir freuen uns sehr, Sie kennenzulernen«, sagte James.
    »Und ich möchte sagen, dass ich mich sehr freue, euch beide kennenzulernen! Ich wusste schon, dass es bereits einen Gentleman auf Everton gibt, aber ich hatte keine Ahnung, dass ich das Vergnügen haben würde, zwei weiteren zu begegnen. Und welch hübsche Blumen!« Ich nahm sie entgegen, wie man es erwartete, obgleich ich keine Ahnung hatte, was ich mit ihnen tun würde. Blumen machten mich immer nervös, besonders wenn sie mir jemand schenkte. Es wird erwartet, dass man sich eine Weile darum kümmert und sie am Blühen hält, und wenn das nicht gelingt, was verrät das dann über eine Person? Solch ein Versagen lässt zu viele Schlussfolgerungen zu: Ist sie einfach unfähig, irgendetwas am Leben zu erhalten? Du meine Güte, ich hoffe, sie kann mit den Darrowkindern besser umgehen! Und so weiter. »Ich habe nichts mehr so Wundervolles gerochen, seit ich ein kleines Mädchen in Indien gewesen bin.«
    James war sofort interessiert.
    »Sie haben in Indien gelebt?«
    »Ja, viele Jahre lang. Mein Vater war dort stationiert, als ich etwa so alt war wie du.«
    »Haben Sie eine Kobra gesehen?«
    »Nah genug, dass sie hätte zustoßen können! Gott sei Dank stand sie zu dem Zeitpunkt im Bann eines Schlangenbeschwörers, und es war wahrscheinlich längst nicht so gefährlich, wie du dir das vorstellst. Aber ich habe viele wundervolle Dingegesehen, und wenn es euch interessiert, können wir sicher ein wenig von unserer Unterrichtszeit den Geheimnissen des Fernen Ostens widmen.«
    »Ja, bitte, Ma’am!«
    Paul schien während des ganzen Gespräches von Unruhe erfüllt zu sein. Er blickte um sich, als könne er es nicht erwarten, irgendwohin aufzubrechen.
    »Du musst entschuldigen, Paul. Manchmal vergesse ich, dass nicht jeder an meinen Geschichten interessiert ist.«
    »Oh nein, das ist es nicht, Ma’am. Aber wir sind spät dran, wissen Sie.«
    »Spät dran?«
    Nanny Prum schob mich zur Seite und nahm den Jungen am Arm. »Nicht jetzt, Paul, Schätzchen. Wir können das auch ein anderes Mal machen.«
    Aber ich bohrte nach. »Im Gegenteil, ich habe nicht die Absicht, den Tagesablauf durcheinanderzubringen, besonders, wenn jemand bereits woanders einen Termin hat.«
    »Es kann warten.«
    »Ganz ehrlich, es wäre mir sehr unangenehm, wenn ich schon an meinem ersten Tag hier
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