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Charlie Chan macht weiter

Charlie Chan macht weiter

Titel: Charlie Chan macht weiter
Autoren: Earl Derr Biggers
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hoch und bog die Finger der zur Faust geballten Hand zurück. Als er dasselbe mit der rechten Hand tun wollte, entfuhr ihm ein Überraschungsschrei. Zwischen den mageren, steifen Fingern glitzerte ein Kettenglied einer schmalen Platin-Uhrkette. Duff bog die Finger auseinander, und das Glied fiel aufs Bett; das heißt, es waren drei Glieder einer Kette, an deren Ende ein kleiner Schlüssel hing.
    Hayley kam zu ihm, und gemeinsam studierten sie ihren Fund. Auf einer Seite des Schlüssels stand die Nummer 3260, Auf der anderen die Worte: Dietrich Safe and Lock Company, Canton, Ohio.
    Duff sah in das starre Gesicht und murmelte leise:
    »Guter alter Knabe. Er hat versucht, uns zu helfen. Hat das Ende der Uhrkette seines Mörders abgerissen – und festgehalten.«
    »Das ist schon was«, kommentierte Hayley.
    Duff nickte. »Vielleicht. Aber es beginnt für meinen Geschmack zu amerikanisch auszusehen, und ich bin Kriminalbeamter in London.«
    Er kniete neben dem Bett nieder, um den Fußboden näher in Augenschein zu nehmen. Jemand betrat den Raum, aber Duff konnte im Augenblick nicht aufschauen. Als er es schließlich tat, sprang er sofort auf die Füße und fuhr hastig über die Knie seiner Hosenbeine. Vor ihm stand ein schlankes, attraktives, amerikanisches Mädchen und sah ihn mit Augen an, die eine ganz besondere Ausstrahlung hatten.
    »Ah – eh – guten Morgen!« brachte er hervor.
    »Guten Morgen!« erwiderte das Mädchen ernst. »Ich bin Pamela Potter, und Mr. Drake – war mein Großvater. Ich nehme an, Sie sind von Scotland Yard. Ganz bestimmt wollen Sie mit einem der Familienangehörigen sprechen.«
    »Natürlich«, stimmte Duff ihr zu.
    Sie wirkte sehr ruhig und selbstsicher, dieses Mädchen, aber um ihre violetten Augen waren Tränenspuren zu erkennen.
    »Ich glaube, Ihre Mutter macht diese Rundreise auch mit?«
    »Mutter ist zusammengebrochen«, erklärte das Mädchen. »Sie erscheint vielleicht später. Im Augenblick bin nur ich in der Lage, dieser schrecklichen Tatsache ins Auge zu sehen. Was möchten Sie wissen?«
    »Können Sie sich irgendeinen Grund für diese unglückselige Geschichte denken?«
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Überhaupt keinen. Es ist einfach völlig unglaublich. Der netteste Mann auf der Welt. Nicht ein einziger Feind. Es ist einfach absurd!«
    Von der Clarges Street hallten die lauten Klänge einer neuen Weise herauf.
    Duff wandte sich an einen der Männer und befahl scharf: »Schließen Sie die Fenster!« Dann fragte er das Mädchen: »Hat Ihr Großvater in der Gesellschaft von Detroit eine Rolle gespielt?«
    »O ja! Viele Jahre lang. Er war einer der ersten, der in die Automobilbranche einstieg. Vor fünf Jahren hat er den Vorsitz bei seiner Gesellschaft niedergelegt, aber er ist Mitglied des Verwaltungsrates geblieben. In den letzten Jahren hat er sich für Wohltätigkeitsinstitutionen interessiert – und Hunderttausende gespendet. Alle haben ihn verehrt und respektiert. Und diejenigen, die ihn kannten, haben ihn geliebt.«
    »Er war wohl ein sehr wohlhabender Mann?«
    »Aber ja!«
    »Und wer… Entschuldigen Sie, aber es ist eine Routinefrage – wer wird sein Geld erben?«
    Das Mädchen starrte Duff an. »Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber was nicht für wohltätige Zwecke bestimmt ist, geht vermutlich an meine Mutter.«
    »Und nach einer gewissen Zeit an Sie?«
    »An mich und meinen Bruder, nehme ich an. Und?«
    »Nichts. Wann haben Sie Ihren Großvater zum letztenmal gesehen? Ich meine, lebend?«
    »Gleich nach dem Dinner gestern abend. Mutter und ich sind dann ins Theater gegangen, er wollte nicht mit. Er sei müde, hat er gesagt. Außerdem konnte der liebe Arme so ein Theaterstück auch nicht richtig genießen.«
    Duff nickte. »Ja, Ihr Großvater war taub.«
    »Woher wissen Sie – oh!« Ihr Blick folgte dem des Inspectors. Auf dem Tisch lag ein Hörgerät samt Batterie. Plötzlich brach sie in Tränen aus, faßte sich aber schnell wieder. »Ja, das hat ihm gehört«, bestätigte sie und wollte danach greifen.
    »Bitte, fassen Sie es nicht an!« bat Duff.
    »Ach ja – natürlich nicht. Er hat es ständig getragen, aber es hat nicht viel geholfen. Gestern abend hatte er vor, sich früh hinzulegen, denn er nahm an, daß der heutige Tag sehr anstrengend werden würde. Wir wollten nämlich nach Paris fahren. Wir haben ihn gewarnt, nicht zu verschlafen. Unsere Zimmer befinden sich einen Stock tiefer. Er sagte, er hätte mit einem Kellner vereinbart, ihn jeden
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