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Chaos Erde

Chaos Erde

Titel: Chaos Erde
Autoren: John Brunner
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(Wie sollte er ohne Geld überhaupt an Essen und Trinken gelangen? Aber mit diesem Problem wollte er sich erst, wenn es akut wurde, ernsthaft befassen.) Vermutlich mußte er davon ausgehen, daß hier in der Zukunft nicht nur die Beruhigungsmittel, sondern sämtliche Medikamente eine effizientere und längere Wirkung hatten. Trotzdem war es eine gewisse Enttäuschung, die einmalige und unwiederholbare Eigentümlichkeit seines Erlebens durch einen chemisch bedingten Schleier getrübt zu haben.
    Doch zumindest verebbte jetzt der Schwindel. Vielleicht hatte er auf einem verspäteten Schock beruht.
    Weil er vorerst darauf angewiesen blieb, aufschlußreiche Angaben von Sal zu erhalten, sprach er ihn noch einmal auf die vorherige Bemerkung an.
    »Ich muß leider gestehen, daß ich das noch immer nicht ganz begreife. Sie müssen jeden Tag eine Stunde in diesem Auto verbringen? Um bei der Erzeugung von Smog zu helfen?«
    Die Antwort zeichnete sich durch die gleiche Zweigeteiltheit wie zuvor aus.
    »Nein, zwei Stunden. Eine morgens, eine abends. Wie sollten die Touristen sonst an einem authentischen Erlebnis des Pendelverkehrs im zwanzigsten Jahrhundert teilhaben? Pendler zu sein, war das Los so vieler unserer Ahnen in diesen und jenen Industrieländern, daß buchstäblich jeder exoplanetare Besucher ein Quentchen dieser Erfahrung ins VoyeurKopie-Erinnerungspaket aufnehmen möchte, und die Mehrheit will’s aus Los Angeles, da ist’s nämlich der hundertprozentigen Authentizität am nächsten. Eine Zeitlang hat man’s in Krasnojarsk probiert, aber die Gäste haben sich beschwert, daß es dort was Unechtes an sich hätte. Wahrscheinlich ist Ihnen gar nicht klar, wie gut Sie davongekommen sind. Ich wüßte gerne, wer es gewesen ist, der eine Summe, die bestimmt ‘n Riesenvermögen darstellt, dafür vergeudet hat, daß Sie ins Leben zurückkehren und wieder die Gegend unsicher machen dürfen. Hören Sie gar nicht hin. Sie sind kein Ärgernis, nicht im mindesten. Im Gegenteil, nachdem ich seit zwanzig Jahren an fünf Tagen in der Woche dauernd das gleiche mache, bin ich froh, mal mit jemandem außerhalb meines eigenen Kopfs reden zu können. Früher war man es gewöhnt, während der Fahrt Radio zu hören, als noch Menschen die Rundfunkprogramme ausarbeiteten, aber die Bänder sind längst alle verschlissen, und das gleiche gilt für die Fernseharchive. Heute sendet man im Radio nichts, was ich noch schnallen kann. Wir werden mit Murks von fremden Planeten überflutet. Es lohnt sich wohl nicht, die Sachen für eine so entlegene, rückständige Welt, wie wir es sind, zu synchronisieren, nicht einmal per automatischer Translation, und natürlich ist der Kram sowieso schon Jahrhunderte alt. Aber man sollte doch meinen, sie könnten dann und wann wenigstens Beiträge aus Systemen wie Risotto und Gorgonzola senden, ich habe gehört, dort hätten die Programme echt was für sich.«
    Versonnen betrachtete er die Skalierung des ins Armaturenbrett integrierten Autoradios. Quaddel hatte es bis jetzt nicht beachtet. Die Radiobeleuchtung glomm, aber aus den vier Lautsprechern, links und rechts, vorn und hinten montiert, kam kein Ton. Gleichgültig zeigte er auf den Lautstärkeregler.
    »Die Lautstärke ist zu niedrig eingestellt«, äußerte er. »Darf ich lauter drehen?«
    Sal zuckte Achseln. »Meinetwegen.«
    Quaddel tat es. Sofort durchflirrte ein Ziepen, das Vogelgezirpe ähnelte, das Innere des Autos. Angeödet drückte Quaddel nacheinander die vorhandenen Sendertasten. Der Reihe nach erscholl überlautes Stöhnen, gellten schrille Schmerzensschreie, hallten etliche Wumser und Rumser, rauschte ein Prasseln wie von einem Waldbrand, winselte mit unerträglicher Verstärkung ein Geräusch, das nach einem Zahnarztbohrer klang… Hastig verringerte Quaddel die Lautstärke wieder auf null.
    »Zwar kriminalisiert, also verhindert das Gesetz gegen unsoziale Arbeitszeit den Rund-um-die-Uhr-Betrieb eines Rundfunksenders«, erklärte Sal kummervoll, »aber andererseits behaupten die Yelignesen, sie wollten alles so authentisch wie möglich haben, und da sollte man doch erwarten können, daß Sie wenigstens einen Sender für Menschen erübrigen. Die Aufzeichnungen ließen sich ein- oder zweimal pro Woche tagsüber anfertigen. Ich hätte nicht mal was gegen Wiederholungen. Oder vielleicht könnte der Satellit so um den Planeten kreisen, daß er der Sonne folgt, so daß wir ständig was zu hören hätten… Blödsinn! Wenn die Yelignesen wirklich
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