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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe
Autoren: Benzoni Juliette
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die offene See trug …
    Arnaud ließ den Bogen fallen und sah Cathérine an, die, ohne zu verstehen, diesem sonderbaren Zeremoniell mit angehaltenem Atem gefolgt war. Sie sah Tränen in den dunklen Augen ihres Gemahls. Dann stieß er mit heiserer Stimme hervor:
    »So gingen einst, auf dem Weg der Schwäne, die Befehlshaber der Schlangenschiffe in die Ewigkeit. Der letzte Wikinger hat das Begräbnis bekommen, das er sich wünschte …«
    Und weil ihn die Bewegung übermannte, floh Arnaud de Montsalvy eilends.
    Am anderen Tag, bei Sonnenaufgang, blähte sich das blau-rote Segel der ›Magdalene‹ im frischen Morgenwind, und die Galeone Jacques Coeurs verließ den Hafen. Einen Augenblick betrachtete Cathérine, unter demselben Mantel an Arnaud gedrückt, die zurückbleibende weiße Stadt in ihrem Schrein von frischem Grün und suchte noch einmal im Gewimmel des Hafens nach dem absurden orangefarbenen Turban Abu al-Khayrs.
    So kurze Zeit nach Gauthiers Tod trennte sie sich nur schweren Herzens von diesem alten Freund, dem sie ihr wiedergefundenes Glück verdankte, aber der kleine Arzt hatte kurzen Prozeß gemacht.
    »Der Weise sagt: ›Die Abwesenheit existiert nur für die, die nicht lieben können. Sie ist ein schlechter Traum, aus dem man eines Tages erwacht, um ihn alsbald zu vergessen.‹ Eines Tages werde ich vielleicht an eure Tür klopfen. Ich habe noch viele Gebräuche in eurem fremden Land zu studieren«, schloß er und drehte sich ohne ein weiteres Wort auf dem Absatz um.
    Als sich keine Einzelheiten mehr erkennen ließen und die Stadt ein undeutlicher weißer Fleck geworden war, über dem die vergoldeten Dächer der Moscheen verschwommen blitzten, wandte sich Cathérine zum Vorderschiff. Der schwere Vordersteven pflügte mit dem Geräusch reißender Seide das unergründliche Blau des Wassers, das sich am Horizont mit dem Blau des Himmels vereinte. Oben kreisten weiße Möwen. Dort hinten, jenseits dieser Unendlichkeit, waren Frankreich, das vertraute Land, das Lachen Michels, das gute Gesicht Saras, die knotigen Hände und treuen Augen der Menschen von Montsalvy. Cathérine hob den Kopf, um Arnauds Blick zu suchen, sah, daß auch er den Horizont betrachtete.
    »Wir kehren heim«, murmelte er. »Glaubst du, daß es diesmal für immer sein wird?«
    Er lächelte sie auf seine gleichermaßen zärtliche wie spöttische Art an.
    »Ich glaube, ma mie, daß es jetzt Schluß ist mit den Landstraßen für die Dame de Montsalvy! Schau dir diese hier genau an, sie ist die letzte …«
    Die ›Magdalene‹ erreichte das offene Meer. Der Wind wurde lebhafter, das Schiff setzte seine ganze Leinwand und entschwand wie ein befreiter großer Vogel auf den blauen Wogen.

Kapitel 16
    Seit Sonnenaufgang lösten sich zwei Laienbrüder an der großen Glocke der Abtei von Montsalvy ab, die ununterbrochen und auf so freudige Weise läutete, wie es dieser schöne Tag gebot. Ihre Arme waren so ermüdet, daß Abt Bernard de Calmont ihnen nach Beendigung des Hochamts Verstärkung geschickt hatte. Sie konnten einfach nicht mehr, aber man muß auch sagen, daß sie noch nie so froh gewesen waren. Auf den Festungswällen indessen schmetterten die Trompeten fast ohne Unterlaß.
    Seit drei Tagen strömten durch die Pförtnerei des großen neuen Schlosses, dessen weiße Türme die tiefen Täler beherrschten, Sänften und Reiter, Fuhrwerke und Bewaffnete, Pagen und Gefolge, und das ganze Dorf war hundemüde. Es hieß, daß Dame Sara, die im Schloß über Diener, Kammerfrauen und Köche gebot, trotz ihrer großen Erfahrung nicht mehr wisse, wo ihr der Kopf stehe, und daß man das Gästehaus der Abtei und selbst einige Häuser im Dorf habe requirieren müssen, um diese vielen Menschen unterzubringen. Jetzt aber war alles in Ordnung, und um den glänzenden Zug, der aus der Kirche trat und sich zum Schloß begab, gab es nur ungetrübte Freude. Das ganze Dorf war geschmückt, von den Rinnsteinen bis zu den Häusergiebeln. Man hatte die schönsten Stoffe, die schönsten Behänge aus den Aussteuertruhen hervorgeholt, hatte sie mit spät blühenden Blumen und farbenprächtigen Zweigen des Herbstes geziert. Die Sonntagskleider aus feiner Wolle und schönem Linnen, häufig bestickt, wurden stolz getragen, während die Wollmützen sich keck aufrichteten und die Linnenhauben davonzufliegen schienen. Die Mädchen hatten neue Bänder ins Haar geflochten, und die jungen Burschen hatten eine Art, ihre Mützen übers Auge zu stülpen und die jungen Mädchen
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