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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe
Autoren: Benzoni Juliette
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mehr befahren konnte … Der Todeskampf war grauenvoll gewesen! Die Luft drang nur mit Mühe in die beschädigten Lungen, und die Konstitution des Riesen, seine außergewöhnlichen Lebenskräfte, verlängerten den erschöpfenden, von vornherein verlorenen Kampf gegen den Tod und machten ihn dadurch noch grausamer.
    Cathérine, Arnaud, Abu al-Khayr, Josse, Marie und Jacques Coeur waren bei ihm, wohnten machtlos und mit großem Schmerz diesem erschöpfenden Todeskampf bei, den der bewußtlose Gauthier um ein Leben führte, das nichts mehr von ihm wollte. Dicht nebeneinander, die Gesichter von Müdigkeit und den flackernden Schatten der in der Kabine angezündeten qualmenden Öllampen gezeichnet, beteten sie, daß endlich die gequälte Stimme schweige, die in einer unbekannten Sprache Klagen, Verwünschungen, Anrufungen der geheimnisvollen nordischen Gottheiten ausstieß, die der Normanne sein Leben lang angebetet hatte. Draußen stand die Mannschaft in einem dichten Haufen, wartend, ohne eigentlich recht zu wissen, worauf, in der Erkenntnis nur, daß sich in der geschlossenen Kabine ein Drama abspielte.
    Endlich ein letztes Zucken, ein Seufzer, der einem Röcheln ähnelte, und der riesige Körper bewegte sich nicht mehr. Drückende Stille, nicht mehr durch das schreckliche Atmen unterbrochen, senkte sich herab. Das vor Anker liegende Schiff, dessen sanftes Schaukeln den Todeskampf des Riesen begleitet hatte, knarrte unheilverkündend in einer Klage, auf die der heisere Schrei der Möwen antwortete.
    Da verstand Cathérine, daß alles zu Ende war. Schluchzend legte sie zwei Finger auf die geöffneten Lider und schloß die Augen ihres Freundes für die Ewigkeit. Dann ging sie zu Arnaud zurück, flüchtete sich in seine Arme. Er zog sie an sich, damit sie ihr tränennasses Gesicht verbergen konnte. Jacques Coeur hustete, um der Bewegung, die ihm das Herz zusammenschnürte, Herr zu werden.
    »Gleich, sobald die Sonne aufgegangen ist, werden wir ihn versenken!« sagte er. »Ich werde die Gebete sprechen.«
    »Nein«, wandte Abu al-Khayr ein. »Ich mußte ihm versprechen, über sein Begräbnis zu wachen. Keine Gebete, aber ich werde dir sagen, was zu tun ist.«
    »Gut, kommt mit. Wir werden die Anweisungen geben.«
    Die beiden Männer gingen hinaus, und Cathérine konnte die Stimme Jacques' hören, der auf Deck Befehle gab, worauf die Mannschaft eiligst davonstürzte. Sie suchte den Blick ihres Gatten, dieser aber nahm sie schon an der Hand und führte sie ans Bett, auf dem der Tote lag. Nebeneinander knieten Cathérine und Arnaud nieder, um Gott von ganzem Herzen um Barmherzigkeit für einen guten Menschen zu bitten, der nie an ihn geglaubt hatte. Schweigend knieten Josse und Marie auf der anderen Seite nieder … und trotz ihres Schmerzes bemerkte Cathérine, daß Josse, obgleich seine Augen voll Tränen waren, die Hand der kleinen Marie nicht losließ, die er unter seinen Schutz genommen zu haben schien. Sie dachte, daß dies vielleicht der Beginn eines unerwarteten Glücks sei und daß diese beiden, aus ganz verschiedenen Kreisen kommend, zueinander finden würden. Aber die ernste Stimme Arnauds erhob sich jetzt und sprach die Sterbegebete, und Cathérine fiel ein.
    Drei Stunden später schritt Arnaud vor der gesamten, auf Deck versammelten Mannschaft der ›Magdalene‹ und zum Klang der pausenlos läutenden Totenglocke nach den Angaben Abu al-Khayrs zu einer seltsamen Zeremonie. Das Schiff erreichte langsam den Hafeneingang, im Schlepptau ein mit Stroh ausgelegtes Segelboot, auf dem die in Linnen gehüllte Leiche des Normannen lag. Auf der Höhe des Turms des Außenhafens sprang Montsalvy in das Boot, hißte das Segel, das der Wind alsbald blähte, packte das Tau, das das zerbrechliche kleine Boot mit dem Schiff verband, stieg wieder auf die ›Magdalene‹ zurück und zerschnitt das Tau. Wie von unsichtbarer Hand getrieben, schoß das Boot vorwärts, fing den Wind ein und überholte den roten Rumpf der Galeone, deren Ruder untätig blieben. Einen Augenblick sahen die an Bord Versammelten ihm nach, wie es mit der großen weißen Gestalt davonglitt. Dann nahm Arnaud aus den Händen Abus einen großen Eschenbogen, legte einen feuergefiederten Pfeil auf, spannte die Muskeln … Der Pfeil zischte und landete mitten im Herzen des Boots, dessen Stroh sofort Feuer fing. Im Nu war das kleine Schiff in Flammen gehüllt. Die Leiche verschwand hinter einem Feuervorhang, während der Wind, die Brunst anfachend, sie langsam auf
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