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Cathérine und die Zeit der Liebe

Titel: Cathérine und die Zeit der Liebe
Autoren: Benzoni Juliette
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Schmerz zusammen, aber sie wagte nicht, ihm seine Bitte abzuschlagen. Einen Augenblick noch betrachtete sie das Gesicht mit den bereits geschlossenen Augen, die sich vielleicht nicht mehr öffnen würden. Noch einmal beugte sie sich hinunter und drückte die Lippen mit unendlicher Zärtlichkeit auf den ausgetrockneten Mund. Dann drehte sie sich zu Marie um, die, reglos in der hintersten Ecke der Sänfte, still der Unterhaltung beigewohnt hatte.
    »Rufe Abu! Er marschiert neben uns … Ich steige aus.«
    Der Zug bewegte sich tatsächlich langsam, denn dichter Verkehr behinderte den Weg zur weißen Stadt. Es mußte Markttag sein, was die schon immer große Betriebsamkeit des Hafens noch verdoppelte. Marie machte ein Zeichen, daß sie verstanden habe, und rief den Arzt, während Cathérine, um die aufsteigenden Tränen zu verbergen, sich auf den Weg gleiten ließ. Arnaud ritt einige Schritte voraus, neben Mansour. Sie rief ihn mit so schmerzerfüllter Stimme, daß er anhielt. Er sah das hübsche, tränenüberströmte Gesicht, beugte sich aus dem Sattel hinunter und streckte ihr die Hand hin.
    »Komm«, sagte er nur.
    Er hob sie auf, setzte sie vor sich und schloß die Arme um sie. Die junge Frau verbarg das Gesicht an seiner Brust und ließ ihren Tränen freien Lauf. Arnaud sagte sanft:
    »Ist es zu Ende?«
    Sie brachte kein Wort heraus, schüttelte nur den Kopf. Er sagte: »Weine, ma mie, weine, soviel du willst! Über einen Mann wie ihn kann man nie genug weinen!«
    Im tobenden Gewimmel des Hafens, zwischen den unzähligen Fisch-, Muschel-, Apfelsinen-, Gemüse-, Früchte- und Gewürzhändlern, die neben großen, überquellenden Körben auf dem Boden hockten und ihre Kunden mit lauten Anpreisungen anriefen, bahnte sich Mansours Trupp einen Weg für die Sänfte mit dem sterbenden Gauthier zu den Schiffen am Kai. Dort lagen zwischen Fischerbooten jeder Größe einige große Handelsschiffe neben zwei Berbergaleeren, schnittig wie Geparden, ruhende wilde Tiere im Vergleich zu den schwerfälligen Kauffahrteischiffen. Mansour zeigte sie Arnaud.
    »Das sind meine Schiffe …«
    Montsalvy lächelte, ohne zu antworten. Er hatte begriffen, daß Ben Zegris, von seinen Besitzungen im geheimnisvollen Maghreb abgesehen, seine größten Einkünfte aus der Piraterie zog. Das waren Jagd- und Raubschiffe, und mit Unbehagen dachte er daran, Cathérine und Marie an Bord dieser Wasserkatzen gehen zu lassen. Wer konnte sicher sein, ob der Kapitän, einmal auf See, nicht Kurs auf Alexandria oder Kreta oder Tripolis, auf einen der großen Sklavenmärkte nähme, auf dem die schönste Dame des Abendlandes zweifellos einen hohen Preis erzielen würde? Der bevorstehende Tod Gauthiers änderte die Dinge. Er, Arnaud, wäre mit Josse allein, um zwei Frauen gegen die ganze Mannschaft zu verteidigen, da Abu nach Granada zurückkehren würde, nachdem sie Anker gelichtet hatten … Wenn sie einmal die Türme des Außenhafens von Almeria passiert hätten, würde sich keine muselmanische Stimme mehr erheben, um die Christen gegen die Geldgier der Berber in Schutz zu nehmen. Gewiß, Arnaud zweifelte nicht am guten Glauben Mansours, aber ein Seeräuber verstand sich aufs Lügen, Täuschen, Überreden. Der alte Fuchs, der diese Raubgaleere befehligte, brauchte nur zu sagen, er habe seinen Auftrag erfüllt, und niemand würde sich noch Sorgen darüber machen, was aus den Montsalvys geworden war …
    Von diesen düsteren Vorahnungen gequält, drückte Arnaud Cathérine instinktiv an sich, aber sie reagierte nicht auf seine Umarmung. Sie starrte fasziniert auf ein Schiff, das in diesem Augenblick das enge Fahrwasser passierte, und fragte sich bei seinem Anblick, ob sie richtig sähe oder träume.
    Dieses Schiff ähnelte den im Hafen liegenden in keiner Weise. Keine dreieckigen, spitz zulaufenden Segel, sondern ein riesiges quadratisches, blau-rot gestreift, das eben von Matrosen eingeholt wurde, denn das Einlaufen in den Hafen war Sache der Ruderer. Es war ein Schiff mit dickem, breitem Rumpf, mit hohem, kunstvoll geschnitztem Heck, aber was Cathérine vor allem faszinierte, war nicht so sehr die Form des Schiffes, sondern das Lilienbanner, das im Wind über dem Mastkorb flatterte. Sein Wappen kannte sie gut.
    »Jacques Coeur!« rief sie. »Dieses Schiff gehört bestimmt ihm!« Auch Arnaud sah es jetzt, aber es war der andere Wimpel, den er mit Erstaunen betrachtete, der alles beherrschte und sich am üppigsten entfaltete.
    »Die goldenen Lilien von Anjou,
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