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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Autoren: V.C. Andrews
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dünne Stimme wurde eine Oktave tiefer. »Schön wie ‘n Engel war sie, und – meine Güte –, wie hat sie deinen Vater geliebt. Jawohl, einen Narren hatte sie an ihm gefressen und ist gleich von zu Hause abgehauen. Von Boston immer in Richtung Texas gelaufen, jawohl. Mit ihrem feinen Köfferchen, voller Kleider und Sachen wie Spiegel, Armreifen und Ohrringe. Sie kam, um hier zu leben, aber es war nicht richtig, ‘nen Mann zu heiraten, der gar nicht ihresgleichen war. Nur weil sie ihn liebte!«
    »Großmutter, ich wußte nicht, daß Vater schon einmal eine Frau hatte. Ich dachte, Mutter wäre seine erste und einzige Frau.«
    »Du sollst still sein, hab’ ich gesagt. Laß mich das schön der Reihe nach auf meine Art erzählen… Sie kam aus ‘ner reichen Familie in Boston, um mit Luke, Toby und mir zu leben. Zuerst hab’ ich sie nicht leiden können. Wußte gleich, die hält nicht durch, gleich von Anfang an. Zu fein und zu gut für unsereinen, die Berge und die viele Mühsal! Dachte, wir hätten ‘n Badezimmer oder so was. War ganz durcheinander, wie sie sah, daß sie raus mußte aufs Plumpsklo und aufm Brett mit zwei Löchern sitzen. Da hat doch Luke ihr tatsächlich ein schönes, kleines Klo gebaut. Hat’s sogar weiß angemalt, und sie hat so ‘n hübsches Papier auf ‘ne Rolle gewickelt, das hat sie. Und gefragt hat sie mich, ob ich ihr rosa Papier aus’m Warenhaus benutzen will. Ihr Badezimmer hat sie’s genannt. Und umarmt und geküßt hat sie den Luke, daß er ihr’s gebaut hat.«
    »War Vater nicht so bös’ mit ihr wie mit Mutter?«
    »Mund halten, Mädchen, bringst mich ja ganz draus! Als sie zu uns kam, hat sie mein Herz erobert und vielleicht auch das von Toby. Ganz arg bemüht hat sie sich, alles fein und gut zu machen. Gekocht hat sie. Hat versucht, unsere Hütte ein bißchen hübsch zu machen. Und Toby und ich, wir haben ihnen unser Bett überlassen, daß sie ihre Babys auf anständige Art machen konnten und nicht aufm Boden. Sie wollte unbedingt aufm Boden schlafen, unbedingt wollte sie’s, aber wir haben’s nicht zugelassen. Alle Casteels sind im Bett gemacht worden, hoffe ich jedenfalls. Und eines Tages lacht und hüpft sie vor lauter Freude, weil sie ein Kind kriegt. Ein Baby von meinem Luke. Und sie tat mir leid, so schrecklich leid. Wir zwei Alten hatten gehofft, ganz fest gehofft, daß sie wieder nach Hause zu ihren Leuten zurückgeht. Aber die Berge haben sie geholt, wie sie’s immer tun mit den Zarten, Schwachen. Aber glücklich hat sie ihn gemacht, als sie noch lebte. So glücklich ist er nie wieder gewesen.« Großmutter hielt inne.
    »Wie ist sie denn gestorben, Großmutter? Ist das ihr Grab?«
    Bevor die alte Frau eine Antwort gab, seufzte sie tief. »Gerade achtzehn war dein Vater, als sie starb, und sie war erst vierzehn, als er sie mit der kalten Erde bedecken und weggehen und sie allein lassen mußte. Und er wußte, wie sie die kalten Nächte haßte, ohne ihn. Kind, er hat die ganze Nacht auf ihrem Grab gelegen, um sie warm zu halten. Und es war Februar! Das war meine Geschichte vom Engel, der in die Berge gekommen ist, um deinen Vater zu lieben und ihn glücklich zu machen, so glücklich wie er’s nie wieder war und wohl auch nie wieder sein wird, so wie die Dinge stehen.«
    »Großmutter, mußtest du mich hierher bringen, um mir das alles zu erzählen! Das hättest du mir doch auch zu Hause erzählen können. Auch wenn es eine traurige und schöne Geschichte ist – trotzdem, Vater ist so ekelhaft. Sie hat wohl das beste von ihm mit ins Grab genommen, und das schlechte hat sie uns zurückgelassen. Warum hat sie ihm nicht beigebracht, auch andere Menschen liebzuhaben? Großmutter, ich wünschte mir, sie wäre nie zu uns gekommen! Niemals! Dann würde Vater Mutter liebhaben, und mich, nicht nur sie!«
    »Wie?« rief Großmutter erstaunt. »Was denn, Mädchen? Hast du’s noch nicht erraten? Das Mädchen, das dein Vater Engel genannt hat, war deine Mutter! Sie hat dich auf die Welt gebracht, und als du da warst, könnt’ sie kaum mehr sprechen. Und sie hat dir den Namen Heaven Leigh gegeben, jawohl. Mußt zugeben, daß du mächtig stolz sein kannst auf deinen Namen, von dem man sagt, daß er haargenau zu dir paßt.«
    Ich achtete nicht mehr auf den Wind. Ich kümmerte mich nicht mehr darum, daß mir meine Haare ins Gesicht flatterten.
    Der Mond tauchte hinter einer dunklen Wolke hervor, und ein Lichtstrahl fiel kurz auf den in Stein gehauenen
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