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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Autoren: V.C. Andrews
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Namen:
     
    ENGEL
    Innigst geliebte Frau
    von
    Thomas Luke Casteel
     
    Beim Anblick des Grabes überkam mich ein eigenartiges Schaudern. »Wo hat Vater denn Sarah gefunden? Und so schnell?«
    Großmutter redete jetzt immer hastiger, als hätte sie schon lange auf diese Gelegenheit gewartet. »Dein Vater brauchte ‘ne Frau, um die leere Stelle neben seinem Bett zu füllen. Er haßte die einsamen Nächte, und Männer haben nun mal ein starkes Verlangen, ein körperliches Verlangen, aber das verstehst du erst, wenn du älter bist. Er wollt ‘ne Frau, die ihm das gab, was ihm sein Engel gegeben hatte. Sarah hat sich bemüht, muß man ihr lassen. Sie ist dir ‘ne gute Mutter gewesen, hat dich wie ihr eigenes behandelt. Hat dich großgezogen, dich geliebt. Sarah hat Luke ihren Körper mit Freuden geschenkt, aber sie hat nun mal nicht die Seele von Angel. Jetzt verzehrt er sich nach dem Mädchen, das ‘n guten Menschen aus ihm gemacht hätte. Er war in jener Zeit ein guter Mann, Heaven, – auch wenn du’s nicht glauben magst. Denk nur mal, als deine Mutter, der gute Engel, noch lebte, ist er tagein, tagaus jeden Morgen mit seiner Klapperkiste zur Arbeit nach Winnerrow gefahren. Hat alles über Tischlerei, Häuserbauen und so gelernt. Ist jeden Tag von der Arbeit nach Hause gekommen, steckte voller Ideen, wie er uns ein Haus im Tal bauen würde und dort das Land bestellen, Rinder, Schweine und Pferde züchten – ein richtiger Tiernarr, dein Vater. Wie du!«
    Ich war in einer seltsamen Gemütsverfassung, als Großmutter mich zurück in die Hütte brachte und zwischen altem Gerümpel und vielen Kartons, in denen wir unsere erbärmlichen Kleidungsstücke aufbewahrten, etwas hervorzerrte, das in eine alte Bettdecke eingehüllt war. Sie wickelte es aus, und ein eleganter Koffer, den wir Bergler uns nie hätten leisten können, kam zum Vorschein. »Deiner«, flüsterte sie, um die anderen nicht aufzuwecken. »Gehörte deiner Mutter. Hab’ ihr versprochen, ihn dir zur rechten Zeit zu geben. Heut nacht ist wohl die rechte Zeit. Schau dir’s an, Mädchen. Schau rein, was für ‘ne Mutter du hattest.«
    Als könnte man eine tote Mutter in einen teuren Luxuskoffer stopfen!
    Doch als ich ihn aufmachte, blieb mir die Luft weg.
    Vor mir, im trüben Licht des Ofens, lagen die schönsten Kleider, die ich jemals gesehen hatte. Zartes, Spitzenbesetztes, wovon ich nicht mal zu träumen gewagt hätte. Und am Boden des Koffers fand ich etwas Langes, in viel Seidenpapier eingewickelt. Ich merkte es Großmutter an, daß sie aufgeregt war und mich beobachtete, als warte sie gespannt auf meine Reaktion.
    Im schwachen Schein der glimmenden Holzscheite blickte ich entgeistert auf eine Puppe. Eine Puppe? Das war das letzte, was ich erwartet hatte. Ich starrte die Puppe mit ihren aschblonden Haaren, die zu einer aufwendigen Frisur hochgesteckt waren, unentwegt an. Sie trug einen Brautschleier, der von einem juwelenbesetzten Häubchen festgehalten wurde. Ihr Gesicht war außergewöhnlich hübsch, mit wunderschön geschwungenen Lippen. Ihr langes Kleid war aus weißer Spitze, bestickt mit winzigen Perlen und glitzernden Steinen. Eine Puppenbraut – mit Schleier und allem. Sogar ihre weißen Schuhe waren aus Spitze und Satin, und als ich einen verstohlenen Blick unter ihren Rock warf, sah ich, daß ihre glänzenden Strümpfe von einem kleinen Strumpfbandgürtel festgehalten wurden.
    »Das ist sie. Deine Mutter, Leigh, die Luke Angel nannte«, flüsterte Großmutter. »So sah deine Mutter aus, als sie deinen Vater heiratete und hierher zu uns kam. Das letzte, was sie sagte, bevor sie starb, ›Gib meinem kleinen Mädchen, was ich mitgebracht habe…‹, das hab’ ich nun getan.«
    Ja, das hatte sie getan – und dadurch mein Leben von Grund auf verändert.

 
    1. KAPITEL
     
    D AMALS
     
     
     
    Wenn es wahr ist, daß Jesus vor fast zweitausend Jahren für uns am Kreuz gestorben ist, um uns vor allem Bösen zu bewahren, dann galt dies nicht für unsere Gegend, ausgenommen sonntags zwischen zehn Uhr früh und zehn Uhr abends. Zumindest meiner Meinung nach.
    Aber wer gab schon etwas auf meine Meinung? Ich dachte daran, wie Vater – zwei Monate nach dem Tod meiner Mutter im Kindbett – Sarah zur Frau genommen hatte und sie ihm den Sohn gebar, den er sich so sehnlich gewünscht hatte, seit ich auf die Welt gekommen war und dem kurzen Leben meiner Mutter ein jähes Ende bereitet hatte.
    Damals war ich noch zu jung, um mich an die Geburt dieses
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