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Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser

Titel: Casteel-Saga 01 - Dunkle Wasser
Autoren: V.C. Andrews
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ersten Sohnes zu erinnern, der auf den Namen Thomas Luke Casteel jun. getauft wurde. Später erzählte man mir, daß wir zusammen in der gleichen Wiege gelegen, darin wie Zwillinge geschaukelt, gestillt und in die Arme genommen – jedoch nicht gleichermaßen geliebt worden waren. Letzteres mußte mir allerdings niemand erst erzählen.
    Ich liebte Tom mit den feuerroten Haaren und den leuchtend grünen Augen, die er von Sarah geerbt hatte. Nichts an ihm erinnerte an Vater. Er wurde allerdings später ebenso groß wie er.
    Nachdem mir Großmutter am Tage vor meinem zehnten Geburtstag von meiner richtigen Mutter erzählt hatte, faßte ich den Entschluß, meinem Bruder Tom niemals den Glauben zu nehmen, daß ich, Heaven Leigh Casteel, seine leibliche Schwester sei. Ich wollte die besondere Beziehung zwischen uns, die uns fast zu einer Person verschmelzen ließ, unter allen Umständen bewahren. Seine Gedanken waren beinahe immer die gleichen wie meine, wohl deshalb, weil wir in der gleichen Wiege gelegen hatten. Sehr bald nach seiner Geburt begann unser stilles Einverständnis. Das machte uns außergewöhnlich. Es war uns wichtig, außergewöhnlich zu sein, denn wir befürchteten, daß wir es eigentlich überhaupt nicht waren.
    Barfüßig war Sarah über einsachtzig groß. Eine wahre Amazone und die passende Gefährtin für einen Mann, der so groß und stark war wie mein Vater. Sarah war nie krank. Wie Großmutter (die Tom gelegentlich scherzhaft »Mutter der Weisheit« nannte) erzählte, waren Sarahs Brüste nach Toms Geburt so voll und üppig geworden, daß sie mit kaum vierzehn Jahren bereits wie ein Matrone wirkte.
    »Und«, fuhr Großmutter fort, »als Sarah niedergekommen war und alles hinter sich hatte, ist sie gleich wieder aufgestanden und hat weitergearbeitet, gerade so, als hätte sie nicht soeben die qualvollsten Schmerzen erlebt, die wir Frauen nun mal klaglos ertragen müssen. Mein Gott, Sarah brachte es doch glatt fertig, zu kochen und dabei einem Neugeborenen das Trinken beizubringen.« Jawohl, dachte ich mir, es ist bestimmt hauptsächlich Sarahs unverwüstliche Gesundheit, die Vater an ihr so anziehend findet. Sonst sagte ihm Sarahs Typ wohl nicht besonders zu, aber man konnte bei ihr davon ausgehen, daß sie nicht im Kindbett sterben und ihn in tiefer, dumpfer Verzweiflung zurücklassen würde.
    Ein Jahr nach Tom kam Fanny mit ihren pechschwarzen Haaren und ihren dunkelblauen Augen, die noch vor ihrem ersten Geburtstag fast ganz schwarz wurden. Unsere Fanny war ein richtiges Indianermädchen – braun wie eine Haselnuß – und nur selten mit irgend etwas zufrieden.
    Vier Jahre nach Fanny kam Keith, der nach Sarahs frühverstorbenem Vater benannt wurde. Keith hatte bestimmt das hübscheste Haar: ein helles Kastanienbraun. Und man mußte ihn einfach sofort liebhaben – besonders da er ein sehr stiller Junge war, der kaum jemandem Sorgen machte, der niemals jammerte, weinte oder ständig etwas forderte, wie Fanny es die ganze Zeit über tat. Keiths blaue Augen wurden schließlich topasfarben, seine Haut machte dem weißlichen Pfirsichteint Konkurrenz, von dem die Leute behaupteten, daß ich ihn hätte. Allerdings kann ich das nicht so genau sagen, da ich nur selten in unseren trüben Spiegel blickte, der zudem mehrere Sprünge hatte.
    Keith entwickelte sich zu einem besonders braven Jungen, der sich an schönen Dingen erfreuen konnte. Als ein Jahr später ein neues Baby auf die Welt kam, saß er oft stundenlang neben dem zarten kleinen Mädchen, das von Anfang an kränkelte. Schön wie ein Puppe war unsere kleine Schwester. Sarah hatte mir erlaubt, daß ich ihr einen Namen geben durfte. Ich nannte sie Jane, da ich zu der Zeit eine Jane auf der Titelseite einer Zeitschrift gesehen hatte, die mir unglaublich schön vorgekommen war.
    Jane hatte weiche, rotblonde Locken, große, blaugrüne Augen mit langen, dunklen Wimpern, die oft hilflos zuckten, wenn sie bedrückt in ihrer Wiege lag und Keith anguckte. Keith schaukelte manchmal die Wiege und brachte sie zum Lächeln. Ihr Lächeln war so entwaffnend; es war, als breche die Sonne hinter Regenwolken hervor.
    Nachdem Jane geboren war, bestimmte sie unser Leben. Es war uns immer wieder eine willkommene Aufgabe, ein Lächeln auf ihr engelhaftes Gesicht zu zaubern. Es machte mir ein ganz besonderes Vergnügen, sie vom Weinen über ihre rätselhaften Schmerzen abzuhalten und sie zum Lachen zu bringen. Aber Fanny legte es darauf an, mir dieses – wie fast jedes
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