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Cassia & Ky – Die Flucht

Cassia & Ky – Die Flucht

Titel: Cassia & Ky – Die Flucht
Autoren: Ally Condie
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frage ich. »Dann müssten sie sich nicht mal mehr um das Essen für uns scheren.«
    Vick sieht mich an, als hätte ich sie nicht mehr alle. »Du hast keine Ahnung, oder?«
    »Wieso?«
    »Die blauen Tabletten erhalten dich nicht am Leben. Sie lähmen dich. Nimmt man eine ein, wird man immer langsamer, erstarrt schließlich und kann sich nicht mehr von der Stelle rühren. Man kann nur warten, dass man gefunden wird oder stirbt. Zwei Stück sind sofort tödlich.«
    Kopfschüttelnd blicke ich hinauf zum Himmel, aber ich suche nichts. Ich will nur das Blau sehen. Mit einer Hand schütze ich meine Augen vor der Sonne. Keine Wolke weit und breit.
    »Tut mir leid«, sagt Vick. »Aber so ist es nun mal.«
    Ich schaue ihn an und glaube, einen Anflug von Mitgefühl auf seinem harten, ausdruckslosen Gesicht zu erkennen. Das alles ist so absurd, dass ich anfange zu lachen. Vick fällt in mein Lachen ein. »Ich hätte es wissen müssen«, seufze ich. »Wenn die Gesellschaft untergeht, dann will sie nicht, dass irgendjemand ohne sie weiterlebt.«
     
    Einige Stunden später hören wir einen Piepton aus dem Miniterminal, das Vick bei sich trägt. Er zieht es von der Gürtelschlaufe ab und wirft einen Blick auf den Bildschirm. Vick trägt als einziger Lockvogel ein Miniterminal. Das Gerät ist ungefähr so groß wie ein Datenpod, kann aber auch als Kommunikationsmittel benutzt werden, während ein Datenpod nur Informationen speichert. Vick hat das Miniterminal meistens dabei, aber manchmal – etwa, wenn er den neuen Lockvögeln die Wahrheit über das Dorf und die Waffen erzählt –versteckt er es eine Zeitlang irgendwo.
    Wir sind uns ziemlich sicher, dass die Gesellschaft mit Hilfe des Miniterminals unsere Position ortet. Ob sie uns darüber auch abhören kann, so wie über die großen Terminals, wissen wir nicht, aber Vick glaubt es. Er glaubt, die Gesellschaft bespitzelt uns unablässig. Ich dagegen bin mir nicht sicher, ob wir für sie so wichtig sind.
    »Was wollen sie?«, frage ich, während Vick die Nachricht auf dem Bildschirm liest.
    »Wir werden verlegt«, antwortet er.
    Die anderen folgen uns der Reihe nach, als wir zu den Flugschiffen gehen, die lautlos außerhalb des Dorfes warten. Die Wachleute drängen zur Eile, wie immer. Sie wollen sich hier draußen so wenig wie möglich aufhalten. Wen sie wohl mehr fürchten, uns oder den Feind?
    Der Offizier, der diesen Transport befehligt, erinnert mich an unseren Wanderoffizier damals auf dem Hügel in Oria. Wie dieser scheint er sich zu fragen:
Wie bin ich nur hierhergeraten? Was soll ich mit diesen Leuten anfangen?
    »Also«, beginnt er. »Was sollte das? Da oben auf dem Plateau? Was ist da passiert? Es hätte nicht annähernd so viele Opfer gegeben, wenn alle hier unten im Dorf geblieben wären.«
    »Heute Morgen hat es dort oben geschneit, und sie wollten Schnee holen gehen«, erkläre ich. »Wir bekommen nicht genug zu trinken und haben ständig Durst.«
    »Sind Sie sicher, dass das der einzige Grund war?«
    »Es gibt nicht viele Gründe für unser Tun«, erwidert Vick. »Hunger. Durst. Überleben. Das ist alles. Wenn Sie uns nicht glauben, können Sie sich einen der beiden anderen Gründe aussuchen.«
    »Vielleicht wollten sie wegen der Aussicht hinaufklettern«, spekuliert der Offizier.
    Vick lacht. Ein hässliches Lachen. »Wo ist der Nachschub?«
    »Im Schiff«, antwortet der Offizier. »Wir bringen Sie alle in ein neues Dorf, und wir werden Sie besser mit Lebensmitteln versorgen.«
    »Und mit Wasser«, fordert Vick. Obwohl er unbewaffnet und auf Gedeih und Verderb dem Offizier ausgeliefert ist, scheint es, als erteile er die Befehle. Der Offizier lächelt. Die Gesellschaft ist nicht menschlich, aber manchmal sind es die Leute, die für sie arbeiten.
    »Und mit Wasser«, bestätigt der Offizier.
     
    Vick und ich unterdrücken einen Fluch, als wir den Nachschub auf dem Schiff erblicken. Sie sind so jung, viel jünger als wir. Sie sehen aus wie dreizehn, vierzehn. Mit weit aufgerissenen Augen sehen sie uns an. Verängstigt. Einer von ihnen, wohl der Jüngste, ähnelt ein wenig Cassias Bruder Bram. Seine Haut ist dunkler als die von Bram, sogar dunkler als meine, aber seine Augen leuchten genau wie die von Bram, und bevor es kurz geschnitten wurde, muss sein Haar ebenso lockig gewesen sein wie das von Cassias Bruder.
    »Der Gesellschaft geht wohl das Kanonenfutter aus«, bemerke ich mit leiser Stimme zu Vick.
    »Vielleicht ist es so gewollt«, erwidert er.
    Wir wissen
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