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Cash

Cash

Titel: Cash
Autoren: Richard Price
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Junge war bereits durch, gab Nazir seinen Dollar Eintrittsgeld und verschwand im Laden.
    Von Bittstellern flankiert, knieten sie nebeneinander wie Schlagmänner vor der Jungfrau, wo der Gabenschrein seit Erics letztem Besuch um das Dreifache gewachsen war. Zunächst dachte er daran, einen der Brüder anzuhauen, sie zu bitten, doch wenigstens die Schlange draußen umzuleiten, damit sie nicht alle anderen Geschäfte im Viertel lahmlegte, dann aber wurde ihm klar, dass die Schlange genau das war: draußen, soll heißen, ihrem Zugriff entzogen. Konnte man sie also nur noch bitten, die Jungfrau ganz abzuschaffen, unwahrscheinlich bei dem ganzen Kleingeld. Konnte man also nur noch ...
    »Leck mich«, flüsterte Eric und dann an Ike gewandt: »Darf ich dich mal was Persönliches fragen?« Seine Stimme fedrig vor Anspannung.
    »Unbedingt.«
    »Diese ganzen Tattoos, was willst du denn eines Tages deinen Kindern erzählen?«
    »Meinen Kindern? Ich bin mein eigenes Kind.«
    »Mein eigenes Kind.« Eric massierte sich die Brust, als wollte er mehr Luft hereinlassen. »Das gefällt mir.«
    »Ja? Prima, weil es stimmt.«
    »Scheiße«, sagte Eric. »Wie macht man das denn ...«
    »Was?«, flüsterte Ike, griff beiläufig nach der Kühlschranktür, öffnete sie einige Sekunden und schloss sie wieder. »Das?«
    Binnen einer Minute hatte der Einstrom feuchter Luft das Kondensmuster verändert und die Jungfrau ins Nirwana befördert. Eine Viertelstunde später hatte sich die Neuigkeit über die Rivington Street ergossen und die Wunderschlange in Wohlgefallen aufgelöst. Zur Mittagszeit betrug die Wartezeit für einen Tisch im Cafe Berkmann zwanzig Minuten.
     
    »Also, du hast hier noch nicht gewohnt in der Blütezeit, kannst du also nicht wissen, aber vor zehn, zwölf Jahren?« Little Dap Williams rhabarberte vor sich hin, während er den nächsten Stapel Bibelseiten unter einem Backstein hervorholte. »Mann, da waren, da gab es schlimme Finger hier. Die Purples in der Avenue C, die Hernandez-Brüder in A und B, Delta Force in den Cahans, Nigger namens Maquetumba in den Lemlichs direkt. Die Hälfte ist auf Nimmerwiedersehen eingebuchtet, die andere Hälfte ist tot, die harten Jungs, also hocken da nur noch die alten Knochen, nippen ihre Bierchen und erzählen sich Storys aus der guten alten Zeit, die und ein Haufen Milchnigger, Hohlbirnen, alle für sich mit ihren klitzekleinen Kokstütchen, und keiner macht ne Ansage.«
    »Maquetumba?« Tristans Kissenbezug war fast voll. »Dominikaner. Inzwischen tot. Mein Bruder hat mir erzählt, er und seine Leute haben die Lemlichs eingemottet.«
    «Was ist das für ein Name?«
    «Sag ich doch, Dominikaner.«
    «Aber was bedeutet der?«
    »Maquetumba? Mann, solltest du doch wissen, bist doch Dominikaner.«
    »Puerto-Ricaner.«
    «Dasselbe, oder?« Tristan zuckte mit den Schultern.
    »Ssss.« Little Dap atmete scharf ein. »So was wie >er, der die meisten fallen lässt< oder so Scheiße.«
    «Was fallen lässt?« Little Dap sah ihn nur an.
    »Ach so.« Tat so, als hätte er es kapiert. Tristan war einfach nur froh, mit Little Dap abzuhängen, überhaupt mit jemandem abzuhängen, wo er rund um die Uhr mit seinem Ex-Stiefvater, dessen neuer Frau, Kindern, Regeln und Fäusten zusammenleben musste. Schon wie er hier gelandet war, um auf diesem Scheißhaufen Bibelseiten zusammenzuklauben, erschien wie ein kleines Wunder.
    Nachdem er die Hamster - seine Brüder und seine Schwester, die eigentlich keine Brüder und keine Schwester waren - heute Morgen zur Schule gebracht hatte, hatte er selbst keine Lust auf Schule gehabt. Also hatte er um zehn vor der Seward Park High School gesessen und nicht gewusst, was er machen sollte, und niemanden, mit dem er es machen konnte, als Little Dap sich aus dem Gebäude verdrückte, mit einem Nicken an ihm vorbeilief, dann die Schultern zuckte, zurückging und ihn fragte, ob er sich beim jüdischen Sturzbau ein bisschen Kleingeld verdienen wolle.
    Wann immer er beschloss, die Schule zu schwänzen, schienen alle anderen ausgerechnet an dem Tag hinzugehen und umgekehrt. Wenn er die Hamster nicht gleich morgens zur Schule bringen müsste, könnte er einfach beim Candy Store am Seward Park rumhängen, mit all den anderen aus den Lemlichs Cola und Ring Dings frühstücken und überlegen, was man mit dem Tag anfängt, aber er kam da nicht rechtzeitig hin. Dasselbe nachmittags, alle kamen nach der Schule zusammen und beschlossen, wo man hinging, Tristan klemmte wieder mit der
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