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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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kaum etwas anderes
als Kanonenfutter für die Piloten. Jemand anderer kam da niemals zum Zuge.
Taylor strich schnell mit der rechten Hand über die Außentasche seines
Mantels, um sich zu vergewissern, ob das Kuvert noch da war. Diese Art Geld
hatte er bisher noch nie transportiert. Fünftausend Dollar für einen Flug.
Zwanzigtausend Mark steuerfrei für ein Abweichen vom Kurs über die Ostsee.
Lansen machte so etwas nicht alle Tage, natürlich. Das war etwas Besonderes,
wie Leclerc gesagt hatte. Er fragte sich, wie die Hosteß reagieren würde, wenn
er sich jetzt über die Theke beugte und ihr erzählte, wer er war, und ihr das
Geld in dem Umschlag zeigte. Er hatte noch nie ein Mädchen wie sie gehabt, das
heißt, ein wirkliches Mädchen, hochgewachsen und jung.
    Er ging
wieder hinauf in die Bar. Der Barkeeper kannte ihn schon. Taylor deutete auf
die Steinhägerflasche auf dem mittleren Bord und sagte: »Geben Sie mir noch so
einen, bitte. Ja, aus diesem Kerl direkt hinter Ihnen, euer hiesiges Gift.«
    »Das ist
aus Deutschland«, sagte der Barkeeper. Taylor zog seine Brieftasche und nahm
eine Banknote heraus. Hinter Zellophan steckte das Bild eines ungefähr
neunjährigen Mädchens. Es trug eine Brille und hielt eine Puppe im Arm. »Meine
Tochter«, erklärte er dem Barkeeper, und der Barkeeper zeigte ein wäßriges
Lächeln.
    Taylor
hatte die bei Vertretern oft zu findende Gabe, den Klang seiner Stimme ganz der
jeweiligen Gelegenheit anpassen zu können. Seine unaufrichtige, affektierte
Sprechweise nahm einen überspannten Ton an, wenn er zu Leuten seiner Klasse
sprach und es ihm darauf ankam, einen Rangunterschied zu betonen, den es nicht
gab. Oder wenn er nervös war wie jetzt gerade.
    Er mußte
zugeben, daß er aufgeregt war. Für einen Mann seines Alters war es eine
unheimliche Situation, statt routinemäßigen Kurierdiensten die Arbeit eines
Agenten verrichten zu müssen. Das wäre eher ein Geschäft für diese Schweine im
Rondell gewesen. Für Leute seiner Organisation war es jedenfalls nichts. Im
Vergleich zu seiner gewohnten Tätigkeit war das hier eine schöne Bescherung.
Hier draußen im Nichts sich selbst überlassen zu sein. Er begriff nicht, wie
man einen Flugplatz an einem solchen Fleck errichten konnte. Im allgemeinen
hatte er Auslandsreisen ja recht gern. Zum Beispiel den alten Jimmy Gorton in
Hamburg zu besuchen, oder eine Nacht lang das Pflaster von Madrid zu treten. Er
empfand es als angenehm, von Joanie wegzukommen. Ein paarmal hatte er auch
die türkische Route gemacht. Obwohl er wirklich nichts für die Balkanesen übrig
hatte, war es immer noch ein Honiglecken im Vergleich zu dieser Arbeit hier:
mit Fahrkarte erster Klasse und die Koffer auf dem Sitz neben sich, in der
Brusttasche einen Alliierten-Paß. Ein Mann, der diese Tätigkeit ausübte, der
war schon was, fast so wie die Jungs aus dem diplomatischen Dienst. Das hier aber
war anders, und es behagte ihm gar nicht.
    Leclerc
hatte gesagt, es sei eine große Angelegenheit, und Taylor glaubte ihm. Man
hatte ihm einen Paß auf einen anderen Namen gegeben. Malherbe. Ausgesprochen
wurde es Mällabi - hatten sie jedenfalls gesagt. Weiß Gott, wer den ausgesucht
hatte. Taylor war nicht mal in der Lage, ihn zu buchstabieren. Als er heute
morgen sein Hotelzimmer nahm, gab's beim Unterschreiben des Meldezettels eine
richtige Schmiererei. Der Spesensatz war freilich enorm: Hundertfünfzig Eier
pro Einsatztag, ohne Beleg. Im Rondell sollte es sogar hundertsiebzig geben,
hatte er gehört. Da würde ganz schön was übrig bleiben, er könnte was für
Joanie kaufen. Wahrscheinlich war' ihr das Bargeld sogar noch lieber.
    Er hatte
ihr natürlich von der Reise erzählt. Eigentlich hätte er das nicht tun sollen,
aber Leclerc kannte Joanie nicht. Er zündete sich eine Zigarette an und hielt
sie, nachdem er inhaliert hatte, in der hohlen Hand - wie ein Posten, der auf
Wache raucht. Wie, zum Teufel, konnte man von ihm erwarten, daß er sich nach
Skandinavien auf die Socken machte, ohne seiner Frau etwas davon zu sagen?
    Er fragte
sich, was die Kinder dazu treiben mochte, die ganze Zeit derart am Fenster zu
kleben. Erstaunlich, wie sie mit dieser fremden Sprache zurechtkamen. Wieder
schaute er auf die Uhr, fast ohne die Zeiger zu sehen. Er berührte den Umschlag
in seiner Tasche. Besser, er trank nicht mehr. Er mußte einen klaren Kopf
behalten. Er versuchte, sich vorzustellen, was Joanie gerade jetzt tat. Wahrscheinlich
saß sie bei einem Gin und irgendwas.
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