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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Krieg im Spiegel (Smiley Bd 4)
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sich für die Verspätung ihres Charterfluges
zwo-neun-null aus Düsseldorf. Kein Hinweis auf die Dauer der Verspätung,
nichts von einer Begründung. Möglicherweise wußten sie es selbst nicht.
    Taylor
dagegen wußte den Grund. Er fragte sich, was wohl passieren würde, wenn er
jetzt zu dieser naseweisen Hosteß in ihrem Glaskasten hinüberginge und ihr
erklärte: Zwo-neun-null wird schon noch 'ne Weile dauern, meine Liebe, ist
nämlich im steifen Nordwest über der Ostsee vom Kurs abgekommen; die Position
ist beim Teufel. Natürlich würde das Mädchen ihm nicht glauben, hielt ihn
womöglich noch für einen Spinner. Später freilich würde sie dann eines Besseren
belehrt. Dann würde sie ihn für einen ziemlich ungewöhnlichen Mann halten, für
etwas Besonderes. Draußen wurde es langsam dunkel. Die Schneefläche wirkte
heller als der Himmel, und die geräumten Rollbahnen zogen sich durch das Weiß
wie Dämme, deren Ränder von dem bunten Schimmer der Markierungsleuchten
gesäumt waren. Im nächstgelegenen Hangar gossen Neonröhren ihr fahles Licht
über Menschen und Maschinen. Der Platz davor wurde kurz aus der Dunkelheit
gerissen, als ein greller Scheinwerferstrahl vom Kontrollturm darüberzuckte.
Ein Feuerwehrauto war bei den Werkstattgebäuden auf der linken Seite
abgefahren und gesellte sich nun zu den drei Ambulanzwagen, die bereits neben
der Landebahn standen. Gleichzeitig flammte auf den Fahrzeugen das Blaulicht
auf. Sie standen in einer Reihe und blitzten geduldig ihr bläuliches Warnsignal
hinaus. Die Kinder deuteten darauf und schwatzten aufgeregt durcheinander.
    Wieder kam
aus den Lautsprechern die Stimme des Mädchens. Seit der letzten Durchsage
konnten nur ein paar Minuten vergangen sein. Wieder wurden die Kinder still,
um zuzuhören. Die Ankunft der Kursmaschine zwo-neun-null werde sich um
mindestens eine weitere Stunde verzögern. Nähere Informationen werde man
sogleich nach ihrem Eintreffen geben. In der Stimme des Mädchens schwang etwas
mit, das teils Überraschung, teils Sorge sein mochte und sich auf das halbe
Dutzend Menschen übertrug, die am anderen Ende des Warteraums saßen. Eine alte
Dame sagte etwas zu ihrem Mann, nahm ihre Handtasche und ging zu der Gruppe von
Kindern hinüber. Einige Zeit starrte sie dümmlich ins Zwielicht hinaus. Als sie
dabei keine Beruhigung fand, wandte sie sich an Taylor und sagte auf englisch:
»Was ist mit dem Flugzeug aus Düsseldorf passiert?« Nach dem kehligen,
ungehaltenen Unterton ihrer Stimme zu urteilen, war sie Holländerin. Taylor
schüttelte den Kopf. »Wohl der Schnee«, sagte er. Er war ein forscher Mann, das
gehörte zu seinem militärischen Auftreten.
    Taylor
ging durch die Schwingtür in die Empfangshalle hinunter. Neben dem Haupteingang
entdeckte er die gelbe Flagge der Northern Air Services. Das Mädchen hinter dem
Schalter war sehr hübsch. »Was ist denn mit der Maschine aus Düsseldorf?«
fragte er in seiner vertraulichen Art. Man sagte ihm nach, daß er es verstand,
mit kleinen Mädchen umzugehen.
    Sie lächelte und zuckte mit den
Schultern. »Ich nehme an, es ist der Schnee. Im Herbst haben wir öfters
Verspätungen.«
    »Warum fragen Sie nicht den Chef?«
schlug er mit einem Kopfnicken in Richtung des Telefons vor. »Man wird es über
den Lautsprecher bekanntgeben«, sagte sie. »Sobald man etwas Näheres weiß.«
    »Wer ist der Skipper, Schätzchen?«
    »Bitte?«
    »Wer der Skipper ist, der Captain,
der Flugkapitän!«
    »Kapitän Lansen.«
    »Taugt er was?«
    Das Mädchen war entrüstet.
»Kapitän Lansen ist ein außerordentlich erfahrener Pilot.« Taylor betrachtete
sie grinsend. »Zumindest ist er ein sehr glücklicher Pilot, mein Schatz.« Man
sagte, der alte Taylor kenne sich aus. Man sagte es im Alias-Club, an den
Freitagabenden.
    Lansen. Es
war seltsam, diesen Namen so offen ausgesprochen zu hören. In der Gruppe wurde
so etwas einfach nicht gemacht. Dort zogen sie Umschreibungen vor, Decknamen,
irgend etwas anderes als den wirklichen Namen: Archieboy, unser fliegender
Freund, unser Freund im Norden, der Junge, der die Fotos macht. Man verwendete
sogar die geheimnisvollen Zusammenstellungen von Ziffern und Zeichen, unter
denen der Mann in den Akten geführt wurde - aber unter gar keinen Umständen
jemals seinen Namen.
    Lansen.
Leclerc hatte ihm in London ein Foto gezeigt: ein jungenhafter
Fünfunddreißiger, blond und gut aussehend. Er hätte wetten mögen, daß diese
Hostessen ganz verrückt nach ihm waren. Sie waren ohnedies
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