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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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über die Köpfe der kunstvoll frisierten Frauen und der Smoking tragenden Männer hinweg auf sie heftete. Es war ein Blick wie eine undefinierbare und beunruhigende Entladung. Ein Blick, wie ihn nur Menschen aussandten, die einem Böses wollten. Instinktiv tat sie einen Schritt zur Seite, wie ein gejagtes Tier, das im Gebüsch Deckung sucht, legte ihrem Mann die Hand auf den Arm, versuchte zu lächeln, während ihre Augen zwischen den festlich gekleideten Menschen und den Kronleuchtern hin und her wanderten.
    Eine Frau warf für den Moment eines Lachens den Kopf in den Nacken, sodass die Sicht quer durch den Saal freigegeben war.
    Dort vor der Wand stand er.
    Wie ein Leuchtturm ragte seine Gestalt aus der Schar der Gäste heraus. Trotz der leicht gebeugten Haltung ein riesiges Raubtier, dessen Augen wie Suchscheinwerfer über die Menge glitten.
    Sie spürte seinen lauernden Blick mit jeder Faser ihres Körpers und sie wusste, dass ihr Leben binnen Sekunden in sich Zusammenstürzen würde, wenn sie nicht augenblicklich reagierte.
    »Andreas«, sagte sie und griff sich dabei an den Hals, der schon jetzt schweißnass war, »können wir bitte gehen? Ich fühle mich nicht gut.«
    Mehr brauchte es nicht. Ihr Mann hob die dunklen Augenbrauen, nickte den anderen zu, und während er ihren Arm nahm, wandte er sich von der Gruppe ab. Für diese Gesten liebte sie ihn.
    »Danke«, sagte sie. »Leider wieder der Kopf.«
    Er nickte. Das kannte er nur zu gut von sich selbst. Lange Abende im abgedunkelten Raum, wenn sich die Migräne erst festgesetzt hatte.
    Auch das verband sie.
    Sie kamen bis zu der ausladenden Treppe vor den Festräumen. Da glitt der Hüne von der Seite heran und stellte sich vor sie hin.
    Ihr fiel auf, dass er deutlich gealtert war. Die Augen, die früher Funken gesprüht hatten, waren matt geworden. Das Haar war nicht wiederzuerkennen. Knapp dreißig Jahre hatten ihre Spuren hinterlassen.
    »Du hier, Nete? Dich hätte ich in dieser Gesellschaft am allerwenigsten erwartet.«
    Sie zog Andreas um ihren Verfolger herum, doch der ließ nicht locker. »Erinnerst du dich nicht mehr an mich, Nete?«, kam die Stimme jetzt von hinten. »Doch, das tust du. Curt Wad. Du erinnerst dich sicher.«
    Sie hatten die Treppe schon halb geschafft, da holte er sie ein.
    »Bist du etwa Direktor Rosens Hure? Solltest du tatsächlich so hoch aufgestiegen sein? Schau mal an, wer hätte das gedacht.«
    Sie versuchte, ihren Mann mit sich zu ziehen, aber Andreas Rosen war nicht dafür bekannt, dass er Problemen den Rücken kehrte.
    »Würden Sie so freundlich sein und meine Frau in Ruhe lassen?« Der Blick, der seine Worte begleitete, kündete von unterdrücktem Zorn.
    »So, so.« Der Verfolger trat einen Schritt zurück. »Da ist dir also tatsächlich Andreas Rosen ins Netz gegangen. Guter Fang, Nete.« Er versuchte sich an etwas, das andere als halbherziges Lächeln bezeichnet hätten, aber sie wusste es besser.
    »Das ist meiner Aufmerksamkeit ja vollständig entgangen. Ich komme nicht so oft in diese Kreise, weißt du. Lese keine Klatschspalten.«
    Wie in Zeitlupe sah sie ihren Mann verächtlich den Kopf schütteln. Spürte, wie seine Hand nach ihrer griff und sie hinter sich her zog. Sekundenlang konnte sie keine Luft holen. Ihrer beider Schritte klangen wie asynchrone Echos des gleichen Impulses: Bloß weg hier!
    Erst als sie schon an der Garderobe standen, war die Stimme wieder hinter ihnen zu hören.
    »Herr Rosen! Dann wissen Sie ja vielleicht gar nicht, dass Ihre Frau eine Hure ist? Ein schlichtes Mädel, das die Insel Sprogø besser kennt als so manch anderer. Ich sage nur: Besserungsanstalt. Ein Mädel, das es nicht so genau nimmt, für wen es die Beine breit macht. Dessen debiles Hirn den Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge nicht kennt und ...«
    Es zog in ihrem Handgelenk, als sich Andreas Rosen abrupt umdrehte. Mehrere Gäste wollten den Mann, der die festliche Atmosphäre störte, zum Schweigen bringen. Zwei jüngere Ärzte traten dazu, bauten sich drohend vor dem großen Kerl auf und demonstrierten damit überdeutlich, dass er unerwünscht war.
    »Andreas, lass es!«, rief sie, aber ihr Mann hörte nicht auf sie. Das Alphatier in ihm war erwacht und hatte angefangen, sein Territorium zu markieren.
    »Ich habe keine Ahnung, wer Sie sind«, sagte er. »Aber ich schlage vor, dass Sie sich öffentlich erst dann wieder zeigen, wenn Sie gelernt haben, sich unter Menschen zu benehmen.«
    Der Angesprochene, der die Männer,
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