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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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leiernden Tonbandgerät.
    Istanbul à la carte.
    »Guten Morgen«, grüßte Carl.
    Assad wandte ihm langsam das Gesicht zu. Das Rot eines Sonnenaufgangs über Kuwait konnte nicht intensiver leuchten als der Riechkolben dieses Mannes.
    »Allmächtiger! Assad, das sieht aber gar nicht gut aus.« Hastig trat Carl einen Schritt zurück. Eine Grippeepidemie bei ihnen im Kellergewölbe, das fehlte gerade noch.
    »Ist gestern gekommen«, schniefte Assad. Nach ähnlich triefenden Hundeaugen würde man lange suchen müssen.
    »Geh nach Hause, und zwar auf der Stelle«, befahl Carl. Wortreicher musste er das nicht ausführen, Assad würde dem ohnehin nicht Folge leisten.
    Schnell kehrte er in sein sicheres Geviert [⊗] zurück, legte die Beine auf den Schreibtisch und grübelte zum ersten Mal in seinem Leben, ob nun der Zeitpunkt gekommen war, da sich eine Pauschalreise nach Gran Canaria aufdrängte. Vierzehn Tage unter einem Sonnenschirm mit einer leicht bekleideten Mona neben sich, das wär's doch, oder? Sollte die Grippe ruhig so lange in Kopenhagen gastieren.
    Bei diesem Gedanken nahm er Monas Brief und öffnete ihn. Allein schon der Duft! Zart und sinnlich, Mona Ibsen, wie sie leibte und lebte. Meilenweit entfernt von dem tonnenschweren Bombardement, das Rose auf die Sinne ihrer Mitmenschen abfeuerte.
    »Mein lieber Schatz«, so ging es los.
    Carl lächelte. Seit er im Krankenhaus von Brønderslev gelegen hatte, mit sechs Stichen genäht und den Blinddarm im Marmeladenglas auf dem Nachttisch neben sich, hatte ihn niemand mehr so zuckersüß angesprochen.
    Mein lieber Schatz,
    heute Abend um 19.30 Uhr bei mir zu Hause zur Martinsgans? Du ziehst einen Sakko an und bringst den Rotwein mit. Ich sorge für die Überraschung.
    Kuss, Mona
    Carl spürte, wie ihm die Wärme ins Gesicht stieg. Was für eine Frau!
    Er schloss die Augen, nahm einen tiefen Lungenzug und versuchte, sich unter »Überraschung« etwas vorzustellen. Die Bilder, die ihm dabei in den Sinn kamen, waren wahrhaftig nicht jugendfrei.
    »Was sitzt du hier und grinst wie ein Honigkuchenpferd?«, dröhnte es hinter ihm. »Wolltest du nicht in die Akte schauen, die ich dir gegeben habe?«
    Rose stand mit verschränkten Armen und gesenktem Kopf in der offenen Tür. Sie würde nicht verschwinden, ehe er reagiert hatte, und wenn ihre Arme sich zum Knoten verschlangen.
    Carl drückte die Kippe aus und griff sich die Aktenmappe. Besser, es hinter sich zu bringen.
    Die Akte bestand aus zehn vergilbten Blättern Papier vom Gericht in Hjørring. Gleich auf der ersten Seite sprang ihm entgegen, worum es sich drehte.
    Wie zum Teufel war diese Geschichte auf Roses Bürostuhl gelandet?
    Zögernd überflog er die erste Seite. Er wusste schon von vornherein die Reihenfolge der Sätze. Sommer 1978. Mann im Nørre Å ertrunken, Inhaber einer großen Maschinenfabrik, passionierter Sportangler, die üblichen Mitgliedschaften in den einschlägigen Vereinen. Vier Paar frische Fußspuren um den Anglerschemel und die abgewetzte Tasche. Angelausrüstung vom Feinsten. Kein Stück fehlte. Schönes Wetter. Bei der Obduktion nichts Anomales zu finden, kein Herzfehler und kein Blutpfropf. Einfach ertrunken.
    Wäre der Fluss an der betreffenden Stelle nicht bloß knapp fünfundsiebzig Zentimeter tief gewesen, hätte man die Sache gleich als Unglücksfall abgehakt.
    Aber nicht der Todesfall an sich hatte Roses Interesse geweckt, soviel war klar. Auch nicht, dass er nie aufgeklärt wurde und deshalb nun naturgemäß bei ihnen im Keller gelandet war. Der Grund war, dass der Akte eine Reihe Fotos beigelegt waren, von denen zwei Carls Konterfei zeigten.
    Carl seufzte. Birger Mørck hieß der Ertrunkene, und er war Carls leibhaftiger Onkel gewesen. Ein jovialer und freigebiger Mann, zu dem nicht nur dessen Sohn Ronny aufgeblickt hatte, sondern auch Carl, und den sie deshalb gern zu kleineren Ausflügen begleitet hatten. Genau wie an jenem Tag, als Birger sie in die Geheimnisse und Tricks des Angelns hatte einweihen wollen.
    Aber da waren diese zwei Mädchen aus Kopenhagen gewesen, die durch das ganze schöne Dänemark geradelt waren und sich just in dem Moment in durchgeschwitzten dünnen Blüschen ihrem Ziel Skagen näherten.
    Beim Anblick dieser beiden Blondinen, die sich auf ihren Fahrrädern abrackerten, ließen Carl und sein Cousin Ronny die Angelruten einfach fallen und flitzten den Mädchen hinterher.
    Zwei Stunden später kehrten sie - den Anblick der engen Blusen auf ewig in die Netzhaut
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