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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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die ihn festhielten, ohnehin um einen Kopf überragte, straffte die Schultern und reckte das Kinn. Von der Garderobe her waren alle Augenpaare auf seine trockenen Lippen gerichtet. Die Damen hinter der Theke, die die Pelze und Trenchcoats verwahrten, die anderen, die sich an der Gruppe vorbeidrückten, und die Privatchauffeure, die an den Schwingtüren warteten - alle hatten die Köpfe zu ihm gewandt.
    Und dann kamen jene Sätze, die niemals hätten ausgesprochen werden dürfen.
    »Dann fragen Sie Nete doch, wo sie sterilisiert wurde, Herr Rosen. Fragen Sie sie, wie viele Schwangerschaftsabbrüche sie hatte. Fragen Sie sie, wie sich fünf Tage in der Strafzelle anfühlen. Fragen Sie sie danach, aber kommen Sie mir nicht mit Belehrungen über Umgangsformen, Andreas Rosen. Dazu bedarf es anderer.«
    Curt Wad trat zur Seite. »Ich gehe!«, rief er hasserfüllt. »Und du, Nete!«, der Finger, mit dem er auf sie deutete, zitterte, »schmor doch in der Hölle. Wo du hingehörst.«
    Als die Schwingtüren hinter ihm zuklappten, wurde das Stimmengewirr laut.
    »Das war Curt Wad«, flüsterte jemand hinter ihnen. »Hat mit dem heutigen Preisträger zusammen studiert. Und das ist auch das einzig Gute, das sich über ihn sagen lässt.«
    Aber sie stand mindestens ebenso im Zentrum der Aufmerksamkeit. Entblößt.
    Die Menschen ringsum musterten sie. Und die Blicke verweilten bei Dingen, die auf einmal Netes wahres Ich zu enthüllen schienen. War das Dekolleté zu tief? Sahen ihre Hüften, ihre Lippen vulgär aus?
    Als die Garderobenfrau ihnen die Mäntel reichte, kam deren warmer Atem Nete fast giftig vor. »Du bist keinen Deut besser als ich«, schien er zu hauchen.
    So schnell ging das.
    Sie schlug die Augen nieder und nahm den Arm ihres Mannes. Ihres geliebten Mannes, dessen Blick sie nicht zu begegnen wagte.

    Sie horchte auf das leise, regelmäßige Brummen des Motors. Sie hatten seither kein Wort gewechselt, saßen nur nebeneinander und starrten an den unablässig arbeitenden Scheibenwischern vorbei in den dunklen Herbstabend.
    Vielleicht wartete er auf Dementis, aber damit konnte sie nicht dienen.
    Vielleicht erwartete sie, dass er ihr entgegen kam. Dass er ihr aus der Zwangsjacke half, in die sie sich eingeschnürt fühlte. Dass er sie einfach ansah und sagte, das alles habe nichts zu bedeuten, nur ihre gemeinsamen elf Jahre zählten.
    Und nicht die siebenunddreißig Jahre, die sie vorher gelebt hatte.
    Aber er schaltete das Autoradio ein und füllte so den Raum lautstark mit Distanz. Sting begleitete sie südwärts über Seeland, Sade und Madonna über die Insel Falster und den Guldborgsund. Es war die Nacht der jungen Sänger und ihrer neuen, unverwechselbaren Stimmen. Das war das Einzige, was sie verband.
    Alles andere verschwand.
    Wenige hundert Meter vor dem Dorf Blans und zwei Kilometer vor dem großen Hof fuhr er plötzlich auf den Seitenstreifen.
    »So, und jetzt schieß los«, sagte er, den Blick in die Dunkelheit gerichtet. Kein freundliches, tröstendes Wort. Nur dieses »Jetzt schieß los«. Nicht einmal ihren Namen nahm er in den Mund.
    Sie schloss die Augen. Dann fing sie stockend an zu sprechen, bat ihn zu verstehen, dass es Ereignisse gegeben habe, die alles erklärten, und dass der Mann, der sie so beleidigt habe, an ihrem Unglück schuld sei.
    Aber davon abgesehen stimme, was er gesagt habe. Das gab sie mit leiser Stimme zu.
    Insgesamt stimme es.
    Einen quälenden Augenblick lang war nur sein Atem zu hören. Dann wandte er sich ihr zu. Seine Augen waren dunkel. »Deshalb also konnten wir beide keine Kinder bekommen«, sagte er.
    Sie nickte. Presste die Lippen zusammen. Sagte, wie es war. Ja, sie hatte sich schuldig gemacht, indem sie gelogen, indem sie den Grund verschwiegen hatte. Sie gab es zu. Als junges Mädchen habe man sie nach Sprogø gebracht, aber da habe sie nichts dafürgekonnt, das sei das Ergebnis von Machtmissbrauch, Ablehnung und Willkür gewesen. Das Ende einer Kette von Fehlurteilen. Das und nichts anderes. Und ja, sie habe mehrere Aborte gehabt und sei sterilisiert worden, aber dieser entsetzliche Mensch, dem sie gerade begegnet seien ...
    Da legte er ihr eine Hand auf den Arm, deren Eiseskälte sich wie mit Stromstößen auf ihren Körper übertrug und sie erstarren ließ.
    Dann schaltete er in den ersten Gang, ließ die Kupplung kommen und fuhr langsam durch den Ort. Zwischen den Wiesen und dem Ausblick auf das dunkle Meer beschleunigte er.
    »Bedaure, Nete. Aber dass du mich
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