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Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung

Titel: Carl Mørck, Sonderdezernat Q Bd.4 - Verachtung
Autoren: Jussi Adler-Olsen
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Ärger bereitet hatte, unter den Armen und bugsierte ihn auf den Sessel.
    »Bitte entschuldigen Sie«, sagte Curt, verbeugte sich leicht vor einer Gestalt, die einmal ein Mann gewesen sein musste, und griff quer über den Tisch nach der Wasserkaraffe. »Unser Gast braucht dringend eine kleine Erfrischung.«
    Dann hob er die Karaffe über Carls Kopf, zog den Glasstöpsel heraus und goss dreiundzwanzig Jahre altes Wasser über Mørcks blutigen Schädel, woraufhin sich ein rot glänzendes Delta auf dem leblosen kreideweißen Gesicht abzeichnete.

46
    November 2010
    C arl kam zwar nach wenigen Sekunden zu sich, aber nur peu à peu. Zuerst spürte er das Wasser im Gesicht, dann die Schmerzen am Kopf, in den Ellbogen und Unterarmen, mit denen er den Schlag abgewehrt hatte. Die Augen noch immer geschlossen, ließ er den Kopf vornübersinken. Ein Unwohlsein im ganzen Körper, wie er es noch nie erlebt hatte, brachte ihn endgültig in die Realität zurück. Ihm war speiübel, der Mund war wie ausgetrocknet und vor seinem inneren Auge tauchten unablässig und unkontrolliert Bilder auf, abwechselnd aufblitzend wie grellbunte Wellen. Mit einem Wort: Es ging ihm beschissen. Und irgendwie war er sich ziemlich sicher, dass es nicht besser würde, wenn er die Augen aufmachte.
    Da hörte er die Stimme.
    »Kommen Sie schon, Mørck. So schwer ist es doch nicht!«
    Diese Stimme gehörte definitiv nicht zu dem Ort, an dem er sich zu befinden glaubte.
    Langsam öffnete er die Augen. Ein Umriss war zu erkennen, der nach und nach schärfere Konturen annahm, bis Carl sich plötzlich einem mumifizierten menschlichen Gesicht gegenübersah, dessen Kiefer herabhing wie zu einem Schrei.
    Jetzt war er hellwach. Ihm entfuhr ein Keuchen, als sein Blick von einer eingetrockneten Leiche zur nächsten wanderte. Zu allem Überfluss sah er alles doppelt.
    »Ja, Carl Mørck, da sind Sie in eine feine Gesellschaft geraten, was?«, hörte er dieselbe Stimme über sich.
    Carl bemühte sich, seine Nackenmuskeln zu kontrollieren, aber das war verdammt schwer. Was um alles in der Welt war hier los? Ringsum gebleckte Zähne und braunes Fleisch. Wo war er?
    »Ich helfe Ihnen mal.« Damit griff ihm auch schon eine Hand in die Haare und riss seinen Kopf so abrupt nach hinten, dass sämtliche Nervenenden um Hilfe winselten.
    Der Greis über ihm unterschied sich nicht sonderlich von den Leichen rings um den Tisch. Die Haut war faltig und eingetrocknet, die Farbe vollständig aus dem Gesicht gewichen und die Augen, die gestern noch so scharf dreingeblickt hatten, wirkten wie tot. Binnen eines Tages hatte sich Curt Wad radikal verändert.
    Carl wollte etwas sagen. Etwas wie: Was zum Teufel treiben Sie denn hier? Und: Machen Sie und Nete doch gemeinsame Sache? Aber er konnte nicht sprechen.
    Und warum sollte er auch? Curt Wads Anwesenheit war Antwort genug.
    »Tja, also, dann willkommen zum Fest«, höhnte der Alte und ließ Carls Haare los, sodass dessen Kopf zur Seite kippte.
    »Ja, Carl. Sie sehen, Sie haben die Gastgeberin als Tischdame, und sie atmet noch, es könnte also kaum besser sein.«
    Carl schaute zur anderen Seite, zu Nete Hermansen. In ihrem Gesicht schien alles zu hängen. Die Lippen, die Tränensäcke unter den Augen, der Unterkiefer. Alles wirkte wie gelähmt.
    Er ließ den Blick über ihren Körper wandern. Wie seine eigenen waren auch ihre Füße und Schenkel mit Teppichklebeband fixiert.
    »Du sitzt wohl nicht so gut, Nete«, sagte Curt Wad und nahm die Rolle Klebeband. Ein paarmal hörte Carl ein reißendes Geräusch und schon waren ihre Arme an den Stuhllehnen festgebunden. »Wie gut, dass du dir den besten Stuhl reserviert hast«, lachte Wad. Dann ließ er sich schwer auf den einzig freien Stuhl sinken.
    »Meine Damen und Herren, es ist serviert. Bitte sehr!«
    Er hob sein leeres Glas und prostete allen in der Runde zu.
    »Möchtest du mich vielleicht deinen Gästen vorstellen, Nete?«, fragte er und nickte in Richtung der hohlwangigen Leiche in dem ausgeblichenen Tweedjackett am anderen Tischende.
    »Ja, Philip kenne ich gut. Zum Wohl, alter Freund. Man muss bei Verhandlungen nur einen Nørvig am Tischende sitzen haben, dann läuft es wie geschmiert, nicht wahr?«
    Er begann, wie verrückt zu lachen. Es war zum Kotzen.
    Dann richtete Curt Wad seinen Blick wieder auf Carls Tischdame. »Hör mal, Nete, geht's dir nicht gut? Vielleicht solltest du noch einen Schuss Flumazenil nehmen, du wirkst so schlapp. Ich hab dich schon in besserer Verfassung
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