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Cappuccino fatale

Cappuccino fatale

Titel: Cappuccino fatale
Autoren: Kathrin Corda
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sie sich, das Tuch mehrfach um Körper, Arme
und Beine geschlungen, im freien Fall vom Seil. Ich halte den Atem an. Chiara
hält nur wenige Zentimeter über dem Boden inne, das Tuch ist nun nur noch um
einen Oberschenkel gewickelt.
    Es ist ein traumhafter Tanz zwischen Risiko und Perfektion, den sie
da zeigt, und es kommt mir fast unwirklich vor, hier zu sitzen und ihr dabei
zuzusehen.
    Während Chiara da vorne knapp über dem Boden schwebt und nun
beginnt, sich an ihren Tüchern wieder hochzuwickeln, kneift Aldo mir sanft den
Unterarm und beugt sich zu mir herüber.
    »Guck mal, Nina, so wie die musst du das hier in Mailand machen.
Immer wenn du auf die Nase zu fallen drohst, rappelst du dich kurz über dem
Boden wieder hoch. So läuft das bei uns Italienern und du wirst das auch
schaffen.«
    Das klingt vielversprechend und irgendwie weiß ich schon jetzt, was
er damit meint.

3.
    Als ich am nächsten Morgen vor dem Herd stehe und der altmodischen caffettiera dabei zusehe, wie sie schaumige Tropfen
Espresso in meine kleine weiße Tasse spuckt, klingelt mein Handy.
    »Pronto?« Was das angeht, bin ich schon
ganz Italienerin.
    »Ciao, Nina, hier ist Renato. Wie geht’s?«
    Wir tauschen die üblichen Danke-gut-und-dir-Danke-mir-auch-Floskeln
aus, die in diesem Land wahrscheinlich selbst vor dem Aussprechen von
Kündigungen oder Kriegserklärungen nicht fehlen dürfen, bevor Renato auf den
Grund seines Anrufs zu sprechen kommt.
    » Senti , hör mal, ich glaube, ich habe ganz
gute Neuigkeiten für dich. Ich habe meine Hausmeisterin nach ihrem Physiotherapeuten
und dessen Gästezimmer gefragt und ihr erzählt, dass ich vielleicht jemanden
hätte, der ihm erneut das Badezimmer unter Wasser setzen könnte.«
    »Super, und?«
    »Sie hat ihn gleich angerufen, um sich zu erkundigen. Das Zimmer
wird nächste Woche Samstag frei. Es soll vierhundert Euro im Monat kosten und
du könntest es dir sofort angucken, wenn du möchtest. Ich habe seine
Telefonnummer für dich notiert.«
    Ich denke kurz nach. Vierhundert Euro zahle ich in Hamburg für meine
zwar kleine, aber immerhin eigene Wohnung, die nun leer steht. Nun gut, so sind
die Preise hier nun mal. Blöd für mich ist jedoch vor allem, dass ich noch eine
Woche zu warten hätte. Selbst wenn ich mit diesem Krankengymnasten übereinkäme,
durch sein Bad zu turnen, würde dies bedeuten, dass ich mich noch einige Nächte
mit Discomusik beschallen lassen muss und vor allem völlig übernächtigt in der
Agentur aufschlagen werde. Aber: Habe ich eine Wahl?
    »Das ist ja prima!«, beeile ich mich daher zu sagen. »Wie lautet die
Nummer?«, frage ich und greife hastig nach einem Bleistiftstummel, der in einer
Schale neben mir inmitten von alten Korken, Haarnadeln und zwei ranzigen
Muskatnüssen vor sich hin dümpelt.
    Renato diktiert mir eine zehnstellige Telefonnummer. »Am besten
rufst du gleich an. Kann sein, dass er heute Nachmittag übers Wochenende in die
Berge zum Klettern fährt. Ein Handy hat er nicht.«
    »Okay, mache ich sofort, danke.«
    Stille.
    »Tjaaaa«, Renato zögert, »dann könnten wir doch vielleicht zusammen
Mittag essen und du erzählst mir, wie’s war. Was meinst du?«
    »Gerne, können wir machen«, freue ich mich.
    »So gegen eins?«
    »Ein Uhr passt. Wo?«
    »Isst du tierische Fette?«
    »Äh … wie bitte?« Habe ich richtig gehört?
    »Isst du Fleisch oder Produkte, die von Tieren stammen?«, wiederholt
Renato stoisch.
    »Meinst du Butter und Käse und so? Ja, natürlich …« Ich schlafe auch nachts und wasche mich mit Wasser und
Seife, füge ich in Gedanken hinzu. Will der mich veralbern?
    »Ach sooo«, antwortet er gedehnt. »Hmm. Weißt du, sonst hätte ich
nämlich ein sehr gutes veganes Bistro in der Nähe des Castellos vorgeschlagen,
alles Bio. Aber wenn du Tier brauchst …« Er betont
das Wort »Tier«, als hätte ich nach einem Schlag Kokain auf Brot verlangt.
    » No, no, ist schon gut, wir können da
gerne hingehen. Einen Salat werden die ja wohl für mich haben«, beeile ich mich
zu sagen, bemüht, diese ungewöhnliche Diskussion zu beenden. Ich bin ein
Monster. Ich esse Tiere.
    »Prima«, Renato wirkt zufrieden, »dann treffen wir uns also um
eins.« Er beschreibt mir den Weg zum Treffpunkt, wo er mich abholen will. » Quindi a dopo . Dann bis später.«
    » Ciao, Renato, grazie. «
    Ich nehme meine Espressotasse vom Herd, lehne mich an die
Fensterbank und greife nach der Milchkanne auf der Spüle, um meinen caffè zu
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