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Capitol

Capitol

Titel: Capitol
Autoren: Orson Scott Card
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daß du kommen würdest, aber wir haben für alle genug. Wir haben sogar einen Schlafsack übrig. Komm doch mit uns, George.«
    Sie meinte es ernst. Sie nahm ihn gern mit. Er dachte an die einsamen Nächte in seiner Wohnung, und fast hätte er ja gesagt. Aber dann erinnerte er sich an seine Arbeit in Berkeley.
    »Ich kann nicht«, sagte er. »Ich muß meine Arbeit machen. Wozu hätte ich sonst die Sondergenehmigungen?«
    »Arbeit?« sagte sie, und er sah ihr ihre Verbitterung an. »Mit Ratten spielen?«
    »Aggie, ich habe eine Möglichkeit gefunden, wie wir zu den Sternen fliegen können.«
    »Und ich habe eine Möglichkeit gefunden, wie wir in die Hügel fahren können. Was glaubst du wohl ist praktischer?«
    Sie wandte ihm den Rücken zu und beschäftigte sich wieder mit dem Beladen des Wagens.
    Er schaute ihr noch etwa fünfzehn Minuten zu, aber ihm fiel nichts ein, was er ihr sagen könnte. Endlich verabschiedete er sich.
    »Auf Wiedersehen, Daddy«, sagte Diane.
    »Ich habe Angst um euch«, sagte er.
    Aggie wandte sich wieder zu ihm um und entgegnete scharf: »Angst? Du wirst den Krieg doch überhaupt nicht bemerken.«
    »Ich bemerke ihn.«
    »Du weißt, daß er im Gange ist. Aber das ändert doch nichts, oder? Du mußt deine Arbeit machen. Die Welt retten. Zu den Sternen fliegen. Rattenscheiße aufwischen. Nichts, aber auch nichts kann dich dabei stören.«
    Die Worte taten weh. Sie hatte schon früher so gesprochen, während der häufigen Streitereien vor ihrer Trennung, aber jetzt schmerzte es besonders, weil er erkannte, daß er nicht anders war als Aggies Anwalt – beide versuchten, unbeirrt ihrer Arbeit nachzugehen. Beide wollten sie die Stürme nicht wahrhaben, die bald die ganze Welt hinwegfegen würden. Fast hätte er gesagt: »Ich gehe mit euch. Fast. Aber er konnte es nicht. Es war unmöglich.«
    »Es ist unmöglich«, sagte er. »Ich bin wie ich bin. Ich kann mich nicht ändern.«
    Jetzt lächelte Aggie ein wenig. »Wie schlimm für dich. Ich bin auch wie ich bin. Ich wollte es wäre anders. Ich wollte, ich könnte die Wirklichkeit so vergessen wie du.«
    »Ich wollte, ich könnte meine Arbeit für so trivial halten, wie du es tust.«
    »Wenn man Wünsche essen könnte.«
    »Dann würden wir nie verhungern.« Und sie lachten über einen gemeinsamen Scherz aus einer längst vergangenen Zeit, als es noch gemeinsame Scherze gab. Und George setzte sich wieder in seinen Wagen, und weil er Sondergenehmigungen hatte, konnte er eines der wenigen Flugzeuge nehmen, die nicht Truppen an die Front schaffen mußten, und er hatte gerade Berkeley erreicht, als die Nachricht vor der Kapitulation durchgegeben wurde.
    Die Truppen hatten zwar den Kampf aufgenommen, aber auf ihrem langsamen Rückzug erreichten sie immer wieder Städte. Und in jeder Stadt, die sie erreichten, hatte die Bevölkerung es abgelehnt, sich evakuieren zu lassen. »Erklären Sie uns zur offenen Stadt«, verlangten die Bürgermeister. »Wir müßten zu viele Leute evakuieren, und bei einer Schlacht würden Tausende oder Millionen umkommen. Erklären Sie uns zur offenen Stadt.« Und so erklärten die Militärs sie zur offenen Stadt und zogen weiter.
    In knapp einer Woche hatten sie die Außenbezirke von Washington D.C. erreicht, und als der kommandierende General der Division, die gerade Baltimore verlassen hatte, merkte, daß sich der Kongreß nicht einmal jetzt zu einem Entschluß aufraffen konnte, kapitulierte er und ging nach Hause. Und in jener Nacht war der Krieg vorbei, mit Ausnahme einiger weniger sinnloser Widerstandsnester im Süden, Westen und Mittleren Westen.
    Die ersten russischen Truppen, die nur drei Tage später Berkeley erreichten, trafen George an, als er mit ein paar gleichgesinnten graduierten Assistenten bei seinen Akten Wache hielt, während andere, unter der Leitung Doran Waites eindrangen, um die Papiere zu verbrennen. »Sie dürfen dies nicht den Russen überlassen!«
    »Ich dulde es nicht, daß dieses Wissen zerstört wird!« brüllte George zurück. Und dann waren die Maschinenpistolen auf sie gerichtet, und der Kampf war vorüber, und die Akten waren für die Nachwelt sichergestellt, und erst jetzt erkannte George, daß er nicht um Wissen kämpfte sondern um seine Beherrschung dieses Wissens. Die russischen Wissenschaftler kamen erst eine Woche später, und George war seinen Job los. Sie besuchten ihn zwar gelegentlich, um Fragen zu stellen, aber es war ihm nicht mehr gestattet, das Gebäude zu betreten. »Aus
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