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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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beeindruckend in ihrer steilwandigen Wuchtigkeit. Ein Hauch von Ewigkeit lag über der unberührten Landschaft. Das Bugwasser zog sich schaumig wie eine Straße hinter dem kleinen, weißen Boot her. Haakon, der Mann am Steuer, summte leise vor sich hin, begleitet vom monotonen Brummen des Schiffsmotors. Er mochte diesen Fjord besonders, weil er ihm kaum Arbeit bereitete. Nur wenige Anlegestellen gab es entlang dieser Route. Einsiedlerhäuser, fast verborgen zwischen hohen Bäumen, deren Fenster hervorblinkten. Meist bat man ihn herein auf eine Tasse Tee, um Neuigkeiten zu erfahren. Mit anderen hatte er über die Jahre kaum mehr als ein paar Worte gewechselt. Der Bärtige gehörte dazu. Er war nicht immer da, wenn er anlegte. Selten kam er heraus, grüßte freundlich und strahlte doch mit unmissverständlicher Bestimmtheit aus, dass er keinen gesteigerten Wert auf einen Plausch legte. Der Postbote hatte sich an seinen Anblick gewöhnt. Auf seiner rechten Hand, welcher ein Finger fehlte, war eine große, wütend- violette Brandwunde, lange vernarbt . Dennoch sah der Mann auf eine raubeinige Weise gut aus, hatte etwas Charakterstarkes in seiner Haltung, in seinem Blick. Intensive grüne Augen, rätselhaft, die eine seltene Zufriedenheit ausstrahlten. Briefe brachte der Bootsführer nie an sein Haus, dafür stapelweise Zeitschriften und Zeitungen, den weiten Weg von Frankreich, Deutschland, England gereist, längst veraltet, wenn sie eintrafen. Manchmal waren es auch schwere, ausländische Büchersendungen. Dabei war die Aussprache des Mannes fast akzentfrei. Er schien ganz hierher zu gehören, als sei er hineingewachsen, verwurzelt mit diesem rauen Land. Der Postschiffer mochte ihn irgendwie, fragte sich manchmal, wenn er nach einem Zusammentreffen wieder ablegte und geruhsam seine Route fortsetzte, wer er wohl sein mochte, welches Leben er hinter sich gelassen hatte, als er sich vor Jahren hier angesiedelt hatte. Welchem Höllenfeuer er wohl entkommen war.
    Haakon öffnete das Fenster und blickte zu seinem Mitfahrer hinaus, der an der Reling stand. „Wir sind gleich da“, rief er ihm in gebrochenem Englisch zu. Der kleine, dunkelhaarige Mann aus Deutschland drehte sich zu ihm um, und ein wundersames Strahlen lief über sein Gesicht.
     
    * * *
     
    Als sich das Brummen des Bootes entfernte, blieb Maxim allein auf dem schmalen Anlegesteg zurück. Er stellte seinen Koffer ab und sah sich um, während sein Herz viel zu schnell klopfte, voll Ungeduld. Das kleine Holzhaus war in dunklem Rot gestrichen, die Fensterrahmen sauber weiß. Es war schön hier, das Panorama atemberaubend. Die hohen Berge, die dunklen Wälder ringsum. Die Frühlingsluft war unglaublich rein, doch schneidend kühl in diesem Land. Gleich hinter dem Haus wuchsen die ersten Baumreihen des Waldrandes riesenhaft empor. Neben dem Gebäude war vorsorglich ein Holzstapel aufgebaut, ein kleines Boot lag am Steg vertäut. Alles sah gepflegt und gut in Schuss aus. So gar nicht nach Monroe. Plötzlich regten sich leise Zweifel. War er hier wirklich richtig? Was, wenn er auf einen bösen Scherz hereingefallen war?
    Aber nein, das war Unsinn. Selbst, wenn es nicht unverkennbar Monroes Handschrift auf dem Notizzettel gewesen wäre, niemand außer ihm hätte wissen können, für wen Maxim die Anzeige hatte schalten lassen. Und jetzt, in dieser Einöde, wo es nichts zu geben schien als die Weite des Himmels und das Flüstern des Wassers, war auch klar, warum es so lange gedauert hatte, eine Antwort zu erhalten. Maxim kam sich vor, wie am Ende der Welt. Dabei war dies hier kein Ende, so hoffte er inständig. Vielmehr ein Anfang. Der Anfang, auf den er so lange gewartet hatte. Zögernd machte er ein paar Schritte auf das Haus zu. Nichts regte sich darin.
    Maxim zuckte zusammen, als wie aus dem Nichts lautes Bellen an sein Ohr drang. Im nächsten Moment schoss zwischen den Bäumen ein schwarzes Etwas hervor und kam auf ihn zugestürmt. Keinen Augenblick später sprang aufgeregt eine große, schwarze Hündin um ihn herum, freudig mit dem Schwanz wedelnd. Und dann sah er Monroe. Mit dem wilden Vollbart, der einen guten Teil seines Gesichts verdeckte, hätte er ihn im ersten Moment kaum erkannt. Maxims Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Er konnte den Mann, der aus dem Wald herausgetreten war, nur anstarren. Monroe trug ein Bündel Zweige, das ihm nun aus der Hand fiel, ohne, dass er Notiz davon zu nehmen schien. Er starrte Maxim ebenfalls reglos an. Sein Gesicht war
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