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Cäsars Druide

Titel: Cäsars Druide
Autoren: Cueni Claude
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gab seiner Zimmersklavin den Befehl, ihm die Haare zu schneiden und den Bart zu stutzen. Kretos wurde gewaschen und neu eingekleidet. Als der Richter und Milo erschienen, war Kretos die Ruhe selbst. Er sprach vom Licht der Erkenntnis und davon, daß er sich von den glitzernden Metallen habe blenden lassen. Sein Leben solle fortan den Göttern gehören, und er wolle sich nur noch den schönen Künsten widmen.
    Von diesem Tag an floh Kretos immer häufiger in seine imaginäre Welt. Von heiligen Pilzen und Kräutern berauscht, lag er Tag und Nacht in einem abgedunkelten Schlafgemach und lauschte irgendwelchen Klängen und Stimmen. Ich setzte einen tüchtigen iberischen Sklaven als neuen Verwalter ein und machte es mir in Kretos' Stadtvilla bequem. Ein Weingut zu führen ist schön und gut, aber ich wollte ein Imperium leiten. Zweimal täglich ließ ich einen Sklaven mit dem göttlichen Sud hinausreiten. Zahlreich waren die Briefe, die ich Milos Boten nach Rom mitgab. Wanda und Basilus sollten erfahren, daß ich frei war. Aber die Monate vergingen. Es wurde Winter. Und es kam keine Nachricht von Wanda.
    Ich verbrachte die langen Abende damit, Karten zu zeichnen. Gallische Landkarten. Ich skizzierte den Lauf des Rhenus und zeichnete ein kleines Rechteck, dort, wo seinerzeit mein kleiner raurikischer Hof gestanden hatte. Nach und nach entrümpelte und sortierte ich Kretos' Kanzlei. Immer wieder stieß ich auf interessante Handelsverträge oder Schreiben aus fernen Ländern. Und eines Nachts entdeckte ich in den Kellergewölben, dort, wo Kretos seinen eigenen Wein gelagert hatte, eine Kiste, die meine Neugierde weckte. In dieser Kiste lag ein rotes Seidentuch – das Vexillum der zehnten Legion. Es war das Vexillum von Niger Fabius, der in Genava aufs schändlichste ermordet worden war! Und wenn dieses Vexillum hier in Massilia war, dann bedeutet dies, daß Kretos der Mörder meines Freundes Niger Fabius war!
    Kretos hätte eigentlich noch ein langes Leben vor sich gehabt, denn er wurde fürsorglich betreut und bestens ernährt. Er starb am hellichten Tage auf hoher See inmitten seiner Flötenspielerinnen. Wie immer war er hinausgefahren, hatte den Sud getrunken und war schlummernd in die Anderswelt entwischt. Seine Begleiterinnen waren das längst gewohnt. Erst als sie Stunden später wieder an Land kamen und ihn hinaustrugen, stellten sie fest, daß sein Körper kalt war. Er war sanft entschlafen, nicht schäumend und zuckend, wie seinerzeit der alte Druide Fumix, sondern still und friedlich, weil ich zuvor alles, was in Kretos' Körper floß, beruhigt hatte.
    Über Kretos' Tod weinten nur die bezahlten Klageweiber.
    Ich beauftragte einen Libitinarius, den Leichnam einigermaßen würdevoll herzurichten und ihn so einzusalben, daß man ihn sieben Tage lang im Atrium aufbahren konnte, ohne daß gleich die Mücken tot von den Wänden fielen. Ich gab Kretos eine keltische Goldmünze in die Hand. Das römische Seidenvexillum, das ich ihm am liebsten in den Rachen gestopft hätte, legte ich auf seine Brust. Seine nubischen Sklavinnen bedeckten seinen Körper mit Laub und schmückten das Eingangstor seines Stadthauses mit Zypressen und Kränzen. Ich schickte Herolde aus, um Kretos' Tod in der Stadt bekanntzumachen. Ich schickte sogar einen Herold nach Rom! Er sollte nicht nur von Kretos' Tod berichten, sondern auch darüber, daß der keltische Druide Korisios seine Geschäfte übernommen hatte und alle Freunde Kretos' zu einem großen Gastmahl einlud.
    »Korisios heredem esse iubeo«, sprach der Beamte feierlich und tat damit öffentlich kund, daß ich der rechtmäßige Alleinerbe des Weinhändlers Kretos war. Auf den Urkunden, die Kretos im Tempel hinterlegt hatte, war sein Letzter Wille niedergeschrieben. In Anwesenheit von sieben Zeugen, darunter auch Milo, wurde das Testament öffentlich verlesen. Testamente waren keine Geheimsache, im Gegenteil. Für manchen war es die erste und letzte Gelegenheit, seinem Ärger Luft zu machen. Doch Kretos beschränkte sich darauf, mich als Alleinerben einzusetzen und allen seinen Freunden, die namentlich aufgeführt waren, je ein Faß Wein zu schenken. Festgesetzt hatte er auch die Größe seines Grabsteins. Es sollte einen Weinhändler zeigen, der flußaufwärts zog.
    Ein erfahrener Dissignator führte den Trauerzug vor Kretos' Stadtvilla und hielt eine rührende Rede über einen Menschen, der großen Reichtum erworben hatte. Reichtum war von solch überragender Bedeutung, daß sich
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