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Cäsar läßt grüssen

Cäsar läßt grüssen

Titel: Cäsar läßt grüssen
Autoren: Joachim Fernau
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ganz sicher nicht so. Und das bedeutet: Von nun an sind die latinischen Römer halbe Sabiner. Und wir werden bald sehen, daß sie ihr Erbgut noch einmal teilen, diesmal mit einem rätselhaften Volk fremder Rasse.
    Aber das liegt noch in einiger Ferne.
    Auf Numa Pompilius folgt ein anderer Sabiner als »König«, Tullus Hostilius. Unter ihm scheint die Übersiedlung vieler sabinischer Familien nach Rom Mode geworden zu sein. Sie bauten sich auf dem Quirinal, Viminal und Caelius an.
    Unter dem dritten sabinischen König, Ancus Marcius, scheint Alba Longa, die alte latinische Hauptstadt, durch Kriegswirren zerstört oder zumindest gefährdet worden zu sein. Die Legende spricht davon, daß die ganze Stadt auf den Caelius hinüberwechselte. Dann War also Rom zum erstenmal wirklich Hauptstadt.
    Es muß ganz schön voll da oben gewesen sein. Der Caelius ist ein netter welliger Hügel, heute noch. Wenn Sie vom Colosseum zu den Caracalla-Thermen gehen, liegt er auf halbem Wege zur linken Hand. Er ist etwa so groß wie die Theresienwiese in München, auf der das Oktoberfest stattfindet. Der Caelius wird damals so ähnlich ausgesehen haben.
    So konnte das also nicht weitergehen, Rom platzte aus den Nähten.
    Ancus Marcius entschloß sich zu einer radikalen Abhilfe, zu einem Projekt, das ihm kolossal erschienen sein muß: die Trockenlegung des Sumpfes. Sicher hat es viele, viele Jahre gedauert, bis es verwirklicht war. Er hätte noch ein bißchen warten sollen: das Volk, das es in drei Monaten geschafft hätte, war schon im Anmarsch.
    Aber Ancus war nicht mehr der jüngste, er wollte das Werk seines Lebens noch unter Dach und Fach bringen. Er dränierte das Tal durch einen Kanal, die cloaca maxima, schüttete die Ufer des Tiber auf, schlug die erste Brücke über den Fluß, nahm drüben den Janiculus-Hügel dazu, setzte Wachtürme darauf, befestigte das Kapitol und kreiste das alles mit Palisaden ein. Man kann das Menschengewimmel, die schwitzenden, schleppenden, grabenden Römer geradezu sehen, Tag für Tag, jahrelang, und man fragt sich, was sie eigentlich vorher gemacht haben. Ich weiß es nicht.
    Das alles sah nun schon sehr gut aus. Die Sioux hätten jetzt ohne weiteres kommen können.
    Aber es kamen nicht Leute mit Flitzbögen, sondern Regimenter mit Marschmusik, Artillerie und Belagerungsmaschinen. Die rätselhaften Etrusker, von denen man schon allerhand gehört hatte, rollten aus ihrer Heimat, der Toskana, südwärts. Ausgerechnet jetzt, wo es in Rom gemütlich werden sollte. So ein Blödsinn.
    Wir befinden uns im Jahre 616 vor Christus. Ancus Marcius hatte fünfundzwanzig Jahre regiert, er muß ein ganz wackeres Alter erreicht haben, — alles ohne Krankenhaus und Zahnarzt. Wir wollen hoffen, daß er in Frieden gestorben ist, bevor die Etrusker erschienen. Eines Morgens waren sie da.
    Fünf Minuten später hatten die Römer einen etruskischen König. Tarquinius Priscus. Einen Herrn aus Tarquinii, einen »Lucomonen«, einen »Grafen« oder »Fürsten«.

    *

    Ich freue mich, Ihnen sagen zu können, daß der letzte Satz mit einiger Wahrscheinlichkeit historisch richtig ist. Das wissen wir noch nicht lange. Caesar und Livius haben es überhaupt nicht gewußt. Es war das zwanzigste Jahrhundert, das herausbekommen hat, daß die Könige keine Römer gewesen sind. Ich selbst habe sogar in den dreißiger Jahren noch das Gegenteil gelernt, und man hat mich angehalten, auch die genauen Zahlen auswendig zu lernen, statt (non scholae sed vitae discimus) der Telefonnummer der Tiller-Girls.
    Wie Schliemann die Mykener ausgegraben hat, so sind in den letzten Jahrzehnten die Etrusker aus der Erde herausgeholt worden. Was uns die Römer hinterlassen haben, war keine Hilfe. Sie haben uns nicht einmal die Sprache aufbewahrt, obwohl sie sie noch bis zu Caesars Zeit verstanden.
    Die »Etruskologie« ist eine Wissenschaft für sich geworden, mühselig, kostspielig und undankbar. Sie arbeitet mit dem Spaten und mit dem Sprachvergleich. Man hat Bauten freigelegt, Statuen ausgegraben, Gräber entdeckt und Hausgeräte gefunden. Wir wissen recht gut, in welcher Umgebung sie gelebt haben, aber wir kennen nicht ihr Leben.
    Die Inschriften schweigen; Sprachwissenschaftler sind bisher gescheitert. Einiges kann man erraten. Es wäre wohl auch nicht viel zu erwarten außer Namen und religiösem Palaver. Was würde aus unserer Zeit an Inschriften die Jahrtausende in der Erde überdauern? Einige Millionen Straßenschilder, Grabsteine und Aufdrucke auf
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