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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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muß, ich meine hienieden. Ich war stets väterlich zu ihm, und du weißt ja gar nicht, was ich alles für ihn getan habe.«
    »Mir gruselt gleich, wenn du bloß an diese Geschichte tippst! Hättest du gewußt, was er mit dir vorhat, so hättest du den Diebstahl der dreitausend Francs nicht vertuscht. Ich weiß sehr wohl, auf welche Weise die Sache damals beigelegt worden ist. Hättest du ihn dem Staatsanwalt übergeben, so hättest du vielleicht vielen Leuten einen Dienst erwiesen.«
    »Was hat er denn mit mir vor?«
    »Nichts! Wärst du aufgelegt, mich jetzt anzuhören, so würde ich dir einen guten Rat geben, Cäsar, nämlich den, dich nicht wieder mit du Tillet zu befassen!«
    »Wäre es nicht sehr auffällig, wenn ich einen früheren Kommis von mir, der sein erstes Geschäft mit den zwanzigtausend Francs gemacht hat, für die ich mich verbürgt habe, ausgeschlossen haben wollte? Ach was! Man muß das Gute tun um des Guten willen! Vielleicht hat er sich inzwischen auch gebessert.«
    »Es wird schon alles drüber und drunter gehen!«
    »Ach, du mit deinem Drunter und Drüber! Es wird alles wie am Schnürchen gehen. Hast du übrigens schon vergessen, was ich von dem Durchbruch nach dem Nachbarhaus gesagt habe? Ich habe mich mit Nachbar Cayron, dem Schirmhändler, bereits verständigt. Wir müssen morgen zu Molineux gehen, dem Hausbesitzer von nebenan. Ich sage dir, ich habe morgen so viel zu tun wie ein Minister!«
    »Du hast mir mit deinen Plänen so richtig den Kopf verkeilt. Ich finde mich nicht mehr zurecht. Im übrigen, Cäsar, will ich jetzt schlafen!«
    »Na, dann gute Nacht oder vielmehr guten Morgen! Ich sage dir, du wirst noch steinreich, so wahr ich Cäsar heiße!«
    Einige. Augenblicke nachher schnarchten Cäsar und Konstanze friedlich miteinander um die Wette.
    Cäsar Birotteaus Vater, Jakob Birotteau, war in der Gegend von Chinon auf dem Rittergute Les Trésorières, zu deutsch also Schatzhausen, Weingärtner; er heiratete das Kindermädchen der Besitzerin und hatte drei Söhne. Die Geburt des jüngsten kostete der Mutter das Leben. Auch der Vater starb sehr bald darauf. Die Gutsherrin, die ihr früheres Kindermädchen liebgehabt hatte, ließ Franz, den ältesten Sohn des Gärtners, zugleich mit ihren eigenen Töchtern erziehen und schickte ihn dann in ein Priesterseminar. Während der Revolution mußte sich Franz Birotteau verborgen halten und das gefahrvolle Wanderleben eines brotlosen Geistlichen führen. Er entging damals nur mit knapper Not der Guillotine. Zu der Zeit, da diese Geschichte beginnt, war er nun längst Pfarrer an der Kathedrale zu Tours. Er hatte diese Stadt nur ein einziges Mal verlassen, um seinen Bruder zu besuchen. Der Pariser Tumult beängstigte den braven Priester dermaßen, daß er das Haus gar nicht zu verlassen wagte. Er sah in jeder großstädtischen Kleinigkeit ein Weltwunder und kam aus dem Erstaunen gar nicht heraus. Nachdem er sich eine Woche in Paris aufgehalten, fuhr er nach Tours zurück und gelobte sich, nie wieder in jenes Sündenbabel zurückzukehren.
    Hans Birotteau, der zweite Sohn des Gärtners, wurde Soldat und brachte es während der ersten Revolutionsjahre schnell bis zum Hauptmann. Als Macdonald im Gefecht an der Trebbia Freiwillige zum Sturm auf eine Batterie aufrief, meldete sich Birotteau mit seiner Kompanie. Er fiel. Offenbar fügte es das Schicksal der Birotteau, daß sie überall, wo sie sich vor dem großen Haufen hervortun wollten, von den Menschen oder den Ereignissen niedergedrückt und vernichtet wurden.
    Das jüngste Kind des Weingärtners ist der Held unserer Geschichte. Als Cäsar mit vierzehn Jahren lesen, schreiben und rechnen konnte, verließ er seine Heimat und kam mit einem einzigen Goldstück in der Tasche nach Paris, um dort sein Glück zu versuchen. Auf die Empfehlung des Apothekers in Tours nahmen ihn Herr und Frau Ragon, die ein Parfümeriengeschäft hatten, als Lehrling an. Cäsar besaß damals ein Paar Schuhe mit Nägeln auf den Sohlen, ein Paar Strümpfe, eine blaue Hose, eine bunte Weste, eine Bauernjacke, drei grobleinene Hemden und einen Knotenstock. Sein Haar trug er ganz kurz geschnitten wie die Chorknaben. Gesund war er wie just ein strammer Bauernjunge. Bisweilen gab er sich, wie das alle Tourainer gern tun, der Faulheit hin. Doch wurde dieser Hang durch seinen Drang vorwärts zu kommen wieder wettgemacht. Cäsar war geistig ungeschult, besaß aber dafür einen natürlichen Rechtssinn und viel Zartgefühl, Eigenschaften,
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