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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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weiter. Nein, dazu ist er zu dumm! Übrigens liebt er mich viel zu sehr. Hat er nicht zu Frau Roguin gesagt, er sei mir noch nie, auch nur in Gedanken, untreu gewesen. Mein Mann ist die verkörperte Rechtschaffenheit. Wenn irgend jemand in den Himmel kommt, so verdient er's sicherlich, Sogar im Beichtstuhl hat er nichts vorzubringen als Nichtigkeiten. Obgleich er Royalist ist – warum, das weiß er selber nicht! – protzt er doch – um dies eine herauszugreifen – ganz und gar nicht mit seiner kirchlichen Gesinnung. Frühmorgens um acht geht er ganz still für sich zur Messe. Er fürchtet Gott wirklich aus Frömmigkeit, nicht aus Angst vor dem Teufel. Wie sollte er da eine Geliebte haben! Er hängt mir vielmehr derartig am Rockzipfel, daß es langweilig ist. Er kann ohne mich nicht leben und würde sich für mich aufhängen lassen. Neunzehn Jahre lang hat er keine Heimlichkeiten vor mir gehabt. Er sagt mir alles. Seine Tochter kommt erst nach mir!.. Daß mir das erst jetzt einfällt: sie ist ja nebenan...
    »Cäsarine! Cäsarine!«
    Konstanze wandte den Kopf mühsam und sah sich ängstlich im Räume um, immer noch im Banne des wunderlichen, unbeschreiblichen nächtlichen Erlebnisses.
    Plötzlich glaubte sie im Nebenzimmer ein helles Licht wahrzunehmen und meinte, es brenne im Haus. Als sie dann aber ein rotseidenes Tuch liegen sah, kam ihr das wieder wie eine Blutlache vor. Sofort dachte sie an Diebe. Und mit einemmal wähnte sie an der Art, wie die Stühle und Tische standen, die Spuren eines Kampfes zu erkennen. Sie erinnerte sich an das Geld in der Kasse, und diese neue Furcht verjagte ihre frühere Hilflosigkeit. Völlig außer sich stürzte sie im Hemd durch die Tür, um ihrem Manne beizustehen, den sie im Handgemenge mit Dieben glaubte: »Cäsar! Cäsar!« rief sie nunmehr laut und voller Angst.
    Sie fand den Parfümhändler in der Mitte des Nebenzimmers, eine Elle in der Hand, mit der er messende Bewegungen machte. Sein grünseidener Schlafrock bedeckte ihn so notdürftig, daß er vor Kälte rote Beine bekommen hatte; er merkte es gar nicht, so vertieft war er. Als er sich endlich umwandte und zu seiner Frau sagte: »Na, Konstanze, was willst du ?« machte er wie alle in Berechnungen versunkenen Leute ein so albernes Gesicht, daß seine Frau zu lachen anfing.
    »Du lieber Gott, wie komisch du aussiehst, Cäsar! Warum läßt du mich allein, ohne mir vorher ein Wort zu sagen? Ich bin vor Angst beinahe gestorben. Ich habe mir die dümmsten Gedanken gemacht. Aber was turnst du denn da halbnackt herum ? Du wirst dir einen tollen Schnupfen holen! Hörst du?«
    »Ich komme ja schon, liebe Frau!« antwortete Birotteau und ging in das Schlafzimmer.
    »Schnell, komm, wärm dich! Und sage mir bloß, was dir im Kopfe rumgeht!«
    Frau Birotteau machte sich am Kamin zu schaffen und bemühte sich, das Feuer wieder anzufachen. »Ich bin eiskalt. So dumm von mir, im Hemd aufzustehen! Aber ich dachte wirklich, man ermordet dich.«
    Der Kaufmann setzte seinen Leuchter auf den Kamin, hüllte sich ordentlich in seinen Schlafrock und holte seiner Frau ganz mechanisch einen wollenen Unterrock.
    »Aber Kind, zieh dich doch an!« sagte er. »Zweiundzwanzig lang und achtzehn breit!« fuhr er dann in seinem vorigen Selbstgespräch fort; »wir bekommen einen Prachtsalon!«
    »Cäsar, du wirst wohl noch gänzlich überschnappen. Träumst du?«
    »Nein, liebe Frau, ich rechne aus.«
    »Mit solchen Dummheiten hättest du auch bis morgen früh warten können!« sagte sie, indem sie ihren Unterrock unter der Nachtjacke zuband. Dann öffnete sie die zum Schlafzimmer ihrer Tochter führende Tür. »Cäsarine schläft, sie wird uns nicht hören. Sag mal, Cäsar, was hast du denn eigentlich?«
    »Wir können einen Ball geben.«
    »Einen Ball? Wir? Zum Kuckuck, du träumst wahrhaftig!«
    »Ich träume nicht, mein liebes Puttchen! Du weißt, man muß sich stets nach den Umständen richten, in denen man sich befindet. Die Regierung hat mich an die Öffentlichkeit gezogen. Ich bin jetzt ein Mann der Regierung. Als solcher muß ich im Geiste der Regierung wirken. Herr de la Billardière, unser Herr Oberbürgermeister, erwartet, daß jeder Vertreter der Bürgerschaft von Paris in seinem Kreise und nach seinen Kräften die in diesen Tagen erfolgende Räumung des französischen Bodens durch die fremden Okkupationstruppen festlich begeht. Ich werde zeigen, daß ich ein echter Patriot bin, vor dem sich die sogenannten Liberalen, diese Malefizkerle,
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