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Cäsar Birotteau (German Edition)

Cäsar Birotteau (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteau (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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machen!«
    Birotteaus Freude war unbeschreiblich. Weinend fiel er Pillerault um den Hals.
    »Nun trägst du auch das Kreuz der Ehrenlegion wieder!« rief Ragon aus.
    Der Abbé steckte dem Staatsschuldensekretär das rote Bändchen ins Knopfloch. Birotteau stellte sich vor den Spiegel und betrachtete sich vergnügt.
    Am andern Vormittag machte er sich auf den Weg zu Frau Madou.
    »Herrje! Herr Birotteau!« begrüßte ihn die dicke Frau. »Man erkennt Sie ja gar nicht wieder, so weiß sind Sie geworden! Na, und dabei haben Sie doch keine Sorgen! Haben Ihr schönes Ämtchen! Unsereiner muß sich abrackern wie ein alter Droschkengaul...«
    »Aber Frau Madou!«
    »Nehmen Sie mir's nur nicht übel. Ich mache Ihnen ja gar keine Vorwürfe...«
    »Ich bin gekommen, um Ihnen mitzuteilen, daß Ihnen der Herr Notar Crottat heute den Rest Ihrer Forderung an mich samt Zinsen auszahlen wird...«
    »I was Sie sagen!«
    »Stellen Sie sich nur einhalb zwölf Uhr bei ihm ein!«
    »Sogar Zinsen! Donnerwetter! Das ist nobel!« sagte sie voll naiver Bewunderung. »Ich will Ihnen mal was sagen. Mein Geschäft geht großartig. Ich will nichts haben. Ich erkläre mich für völlig abgefunden. Ich. will's Ihnen schriftlich geben. Behalten Sie das Geld! Sie werden's nötig brauchen! Die alte Madou nimmt sich kein Blatt vor den Mund, wo sie in ihrem Rechte ist. Sie geht gleich tüchtig ins Zeug! Aber das Herz hat sie auf dem rechten Fleck...« Dabei schlug sie auf ihren fetten Busen, der seinesgleichen in der Markthalle nicht hatte.
    »Nehmen Sie das Geld nur!« unterbrach Birotteau ihren Redeschwall. »Ich will meine Schuld bei Ihnen auf Heller und Pfennig tilgen!«
    »Na, wenn Sie durchaus wollen, dann lasse ich mich nicht lange bitten! Aber morgen will ich in der Halle ein Loblied auf Sie singen. So was passiert nicht alle Tage!«
    Dieselbe wenig variierte Szene erlebte Birotteau bei dem Dekorationsmaler, Crottats Schwiegervater. Dieser erste Erfolg verlieh ihm Mut, jedoch ohne innern Frieden. Der leidenschaftliche Wunsch, seine Kaufmannsehre völlig wiederherzustellen, rieb ihn auf. Sein Gesicht verlor jegliche Farbe und Frische, seine Augen wurden matt und seine Wangen hohl. Wenn er früh um acht oder nachmittags um vier auf seinem Wege nach und von seiner Kanzlei alten Bekannten begegnete, schlich er immer noch in demselben Rock, den er zur Zeit der Konkurseröffnung getragen hatte, weißköpfig, blaß, scheu wie ein Spitzbube an den Häusern hin. Seine Blicke eilten immer wachsam weit voraus, und nur selten ließ er sich von Bekannten ansprechen.
    Matifat traf ihn einmal und bedauerte ihn.
    »Nehmen Sie sich doch mehr Zeit«, meinte er; »Geldwunden sind nicht tödlich!«
    »Nein«, gab Birotteau zur Antwort, »aber die seelischen Wunden!«
    Zu Beginn des Jahres 1822 wurde der Bau des Sankt-Martin-Kanals behördlich genehmigt. Die Grundstücke in der Vorstadt du Temple stiegen dadurch im Werte zu unsinniger Höhe. Nach dem Bauplane schnitt der Kanal du Tillets Terrain, den ehedem Birotteauschen Besitz, gerade in zwei Hälften. Die Baugesellschaft, die das Projekt durchführte, bot einen unerhörten Kaufpreis, wenn der Bankier dieses ihr unentbehrliche Grundstück bis zu einer bestimmten Zeit abtreten würde. Aber Popinots Pachtvertrag hinderte den Handel. Deshalb suchte du Tillet den Parfümhändler in seinem Laden in der Rue des Cinq-Diamants auf.
    Der Bankier stand Anselm Popinot gleichgültig gegenüber, aber dieser hegte einen instinktiven Groll gegen jenen. Er wußte zwar nichts von dem Diebstahl und den unlautern Machenschaften du Tillets, aber er hatte ihm gegenüber immer die Empfindung, einen unbestraften Gauner vor sich zu sehen. Gerade jetzt, wo auch die Baustellen um die Madeleine maßlos im Wert gestiegen waren, mußte er von neuem daran denken, daß sich der glückliche Bankier zum Nachteile seines ehemaligen Prinzipals bereichert hatte. Als daher du Tillet den Grund seines Besuches dargelegt, blickte er ihn höchst unwillig an.
    »Ich bin nicht abgeneigt, von unserm Pachtvertrag zurückzutreten«, sagte er, »aber ich verlange dafür eine Entschädigung von sechzigtausend Francs. Unter dem tue ich's auf keinen Fall!«
    »Sechzigtausend!« rief du Tillet und tat so, als ob er wieder gehen wollte.
    »Mein Pachtvertrag läuft noch fünfzehn Jahre. Wenn ich meine Fabrik anderswohin verlege, so kostet sie mich dreitausend Francs im Jahre mehr. Also sechzigtausend, oder die Frage ist für mich erledigt.«
    Die Unterhaltung wurde
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