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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata
Autoren: Eugen Ruge
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Sonntagskleidern; schwatzend, in kleinen Grüppchen spazieren sie auf und ab, sogar mehrmals, falls ihnen die gepflasterten achthundert Meter nicht genügen.
    Am Montag ist der Spuk allerdings vorbei, und der Mann von der Müllabfuhr kommt, ein Stoiker in aufrechter Haltung, der mit Hilfe eines langen Greifers kleine Schnipsel vom Pflaster aufpickt, während hinter ihm, aus den gelben Tonnen, deren Deckel der Wind aufwirft, neuer Müll heranweht.
    An all das erinnere ich mich. All das habe ich gesehen und sogar noch mehr: Gerade kommt mir das Strandreinigungsungetüm in den Sinn, ein Gerät von der Dimension eines Mähdreschers (nie habe ich an der Ostsee so etwas gesehen!), das irgendwann, es könnte Ende März gewesen sein, den Strand vor der Promenade mit großem Getöse (und ein unnatürliches Streifenmuster hinterlassend) zu durchkämmen beginnt. All das habe ich gesehen, ohne es zu sehen, habe es gehört, ohne es zu hören, habe mich darüber amüsiert (über den Regen) oder geärgert (über das Ungetüm), ohne es zur Kenntnis zu nehmen, bis zu dem Tag, an dem ich entdeckte, dass die Katze schwanger war .
    Oder heißt es trächtig bei Katzen?
    Seltsamerweise habe ich den Moment der Entdeckung nicht mehr in Erinnerung, ich habe kein Bild vor Augen. Woran ich mich erinnere, wenn ich an die Entdeckung der Schwangerschaft denke, ist vor allem die eigene Hysterie; die Sekunden, in denen mir alle möglichen Horrorszenarien durch den Kopf schwirrten – die Vorstellung von einer Katzengeburt unter meinem Bett, sechs blinde, blutige Katzenjungen, ihre Scheiße, ihr Mauzen. Ich sah mich schon eine Gemüsekiste mit alten Lappen auslegen, für den Fall, dass die Katze in meinem Zimmer werfen würde (nur wie sollte ich ihr begreiflich machen, dass sie dies in der mit Lappen ausgelegten Kiste tun solle?), während ich mir gleichzeitig den Skandal ausmalte, wenn herauskäme, dass ich in meinem Zimmer einen Wurf Katzen beherbergte.
    Ich habe vergessen zu erwähnen, dass ich bald nach der Ankunft der Katze dazu übergegangen war, mein Zimmer selbst zu reinigen – eine Arbeit, die ursprünglich der Dickärschigen oblag, womit ich mir auch ihre Übellaunigkeit erklärt hatte, allerdings war sie, seit ich die Reinigung selbst besorgte, kaum weniger übel gelaunt (ja, auch das schien sie mir übel zu nehmen!) – jedenfalls hatte ich angefangen, mein Zimmer selbst zu reinigen, vor allem weil ich fürchtete, die Katze könnte mir in der Nacht ins Zimmer pinkeln (was sie natürlich nie tat). Und nachdem meine von der Entdeckung der Schwangerschaft ausgelöste Hysterie abgeflaut war, sagte ich mir, dass die Katze auch keine blutigen Jungen unter meinem Bett werfen würde. Die Katze würde alles so klug und umsichtig regeln wie bisher, und trotzdem fühlte ich mich irgendwie hintergangen.
    Plötzlich kam mir das Verhalten der Katze rational, fast berechnend vor. Ihre kühne Annäherung, ihr verlässliches Erscheinen am Abend, ihre Hingabe, wenn ich ihr den Nacken kraulte, selbst ihr Schnurren und ihr dunkler betörender Blick erschienen mir plötzlich auf kränkende Weise zweckgerichtet. Die darwinistische Konstante: Ihre Handlungen dienten der Arterhaltung. Alles, was sie tat, tat sie, um die Jungen durchzubringen, die sie im Bauch trug – so einfach, so niederschmetternd einfach war das.
    Ich erinnere mich, dass ich mich am nächsten (oder vielleicht am übernächsten oder sogar überübernächsten) Morgen in den Bus setzte und nach Almería fuhr. Zwar hatte ich nicht (noch nicht) vor, Cabo de Gata endgültig zu verlassen, doch war mir die Monotonie meines Daseins jetzt, nach dem Wiedereintritt ins Zeitliche, auf einmal unerträglich geworden. Obwohl ich natürlich wusste, dass es ungerecht war, lastete ich dies der Katze an – so als hätte ich diese Monotonie ihretwegen auf mich genommen. Ich erinnere mich, dass mich ihr ungeduldiges Mauzen zu ärgern begann; ja, ich glaubte gar, einen beleidigten Unterton herauszuhören, wenn ich nicht sofort, nachdem wir das Zimmer betreten hatten, zur Futterdose griff. Es erschien mir als Zumutung, dass ich stillzuhalten hatte, wenn sie nachts auf meinen Füßen saß. Ich begann mich darüber zu mokieren, dass sie auch nach dem soundsovielten Mal nicht begriff, dass es keinen Zweck hatte, an einer Tür, durch die man hinauswollte, zu kratzen.
    Ich erinnere mich an einen konfusen Tag, den ich in Almería verbrachte. Ich erinnere mich an ein Frühstück auf der Rambla (auch hier war, wie in
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